Buchtipp: Sand Talk |
von Tyson Yunkaporta
von ZukunftsMacher Helmut Scheel
Was erwartet man von einem Buchtitel wie Sand Talk? Tyson Yunkaporta, australischer Autor und Dozent für indigenes Wissen, zeigt darin eine Denkweise, die westlichen Perspektiven oft fremd ist. Er beschreibt, wie Kommunikation und Erkenntnis in seiner Kultur funktionieren: durch Gespräche („Yarns“), die er in Symbolen im Sand zusammenfasst. Diese Bildsprache zieht sich durch das ganze Buch, indem er Kapitel mit solchen Mustern illustriert und erklärt, warum genau dieses Zeichen den Inhalt verdichtet.
Die Weltsicht der Aborigines in unsere Sprache übersetzen
Yunkaporta selbst entstammt einem indigenen Stamm der Aborigines und versucht, deren Weltsicht in unsere Sprache zu übersetzen – eine Herausforderung, die bereits bei grundlegenden Begriffen beginnt. So gibt es im Indigenen verschiedene Worte für Wir, während die englische oder deutsche Sprache hier oft zu ungenau bleibt. In seinem Buch spricht er von uns-zwei, um eine persönliche Verbindung zum Lesenden herzustellen und sie oder ihn durch seine Gedankenwelt zu begleiten.
Denken in Kreisläufen
Ein zentrales Motiv ist der Gegensatz zwischen zirkulärem und linearem Denken. Während westliche Gesellschaften auf Fortschritt und Wachstum setzen, denken indigene Kulturen in Kreisläufen, in denen Genügsamkeit und natürliche Rhythmen entscheidend sind. Diese zyklische Weltsicht zeigt sich auch in den „Traumpfaden“ – einem Begriff, der aus dem Englischen stammt, aber die komplexe Bedeutung der indigenen Strukturen nur unzureichend wiedergibt. Traumpfade stehen für persönliche und kollektive Lebenswege, die mit der Natur verwoben sind. Ihre Zerstörung bedeutet daher nicht nur Umweltzerstörung, sondern auch den Verlust von Identität und Zukunft.
Yunkaporta kritisiert in diesem Zusammenhang den Liberalismus als eine Ideologie, die sich permanent wandelt, um jede Form von Widerspruch aufzunehmen und zu neutralisieren: Der Liberalismus, um konkurrierende Ideologien aus dem Feld zu schlagen, wird immer wieder umetikettiert. Der Erfolg des Liberalismus liegt in seiner Fähigkeit, jede Gestalt anzunehmen, die ihm eine Bevölkerung durch Störung oder Dissens auf projiziert. Deshalb ist er zu Beginn des neuen Jahrtausends nahezu konkurrenzlos. Er ist eine Illusion, die momentan den Planeten dominiert.“ (S. 80)
Besonders spannend sind seine Perspektiven auf Gewalt. In der westlichen Welt ist Gewalt meist negativ konnotiert, während sie in indigenen Gemeinschaften als Kommunikationsform verstanden werden kann. Er schildert eine Situation, in der ihm eine Frau physische Gewalt zufügt. Doch statt dies als Angriff zu interpretieren, akzeptiert er es als Ausdruck innerhalb eines kulturellen Rahmens. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie sehr unsere Vorstellungen von Moral und Ordnung durch westliche Denkweisen geprägt sind.
Perspektivwechsel
Auch die Darstellung der Welt in Karten oder auf dem Globus hinterfragt er kritisch. Warum ist der Norden immer oben? Warum gilt Australien als „unten“? Ein Perspektivwechsel könnte unser Weltbild grundlegend verändern.
Sand Talk ist ein Buch, das uns alternative Denkweisen näherbringt. Es erinnert uns daran, dass es viele Möglichkeiten gibt, die Welt zu verstehen, und dass unsere gewohnten Muster nicht universell sind. Yunkaporta verbindet dabei Tiefgang mit humorvollen Momenten, die zum Nachdenken anregen. Seine Sand Talks sind vergänglich und doch bleibend, weil sie Spuren hinterlassen, die nicht einfach ausgelöscht werden können. Wer sich auf dieses Buch einlässt, wird mit neuen Perspektiven belohnt. Eine klare Empfehlung!
Über Tyson Yunkaporta
Tyson Yunkaporta ist Wissenschaftler und Kunstkritiker. Er ist Angehöriger des im äußersten Norden des australischen Queenslands beheimateten Apalech Stammes. Er schnitzt traditionelle Werkzeuge und Waffe und unterrichtet als Professor für Indigenes Wissen an der Deakin University in Melbourne.
Buchtipp
Tyson Yunkaporta
Sand Talk
Das Wissen der Aborigines und die Krisen der modernen Welt
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