Wie die Lebensmittelindustrie täuscht und trickst
Der Koch und Lebensmitteluntersucher Sebastian Lege hat dieses Mal den ZukunftsMacher Johannes Dackweiler, Chef der Hercules Bäckerei in Düsseldorf besucht und dort gedreht. In der Sendung wurde auch untersucht, woran man eigentlich Vollkorn-Brötchen erkennt. Die meisten Verbraucher achten vor allem auf eine dunklere Farbe des Teiges. Doch da setzt die Backwarenbranche an und färbt einfach hellen Teig dunkel. Der Farbstoff ist Malz, hergestellt aus Gerste, ebenfalls ein Getreide, und so fällt das Ganze auf der Zutatenliste nicht auf. Vorteil für die Bäcker: Gefärbtes Feinmehl ist viel einfacher und lukrativer zu verarbeiten als Vollkornschrot. Brote und Brötchen werden in vielen Supermärkten und Discountern auf „Vollkorn“ gefärbt, damit Kunden höhere Preise dafür bezahlen – ohne dafür den Mehrwert echter Vollkorn-Produkte zu erhalten.
Elita Wiegand hat mit Johannes Dackweiler ein Interview geführt und nach den Unterschieden zwischen Fake und Bio-Backwaren gefragt.
In Supermärkten werden inzwischen längst auch Bio-Brötchen angeboten. Doch Bio ist nicht gleich Bio. Wo liegen die Unterschiede?
Johannes Dackweiler: Der größte Unterschied besteht darin, dass die Bio-Brötchen im Supermarkt industriell hergestellt und ausschließlich maschinell verarbeitet. Die Teige werden mit chemischen Zusätzen behandelt, die aber auch im Bio-Bereich erlaubt sind. Es werden Massen verarbeitet und die Zutaten kommen von dort, wo es in der Welt gerade am günstig ist.
Trotz der maschinellen Verarbeitung und der industriellen Herstellung werden die Brötchen als Bio deklariert. Wie kann das sein?
Johannes Dackweiler: Jeder Landwirt und jeder Erzeuger kann Bio produzieren, wenn er gewisse Bestimmungen einhält, die jährlich nach strengen Regeln kontrolliert werden. Die meisten Verbraucher kennen das Blatt mit den Sternen. Das ist das EU-Bio-Siegel und es beinhaltet den Mindeststandard. Doch dieser Standard lässt vieles zu, zum Beispiel auch Enzyme bei Backwaren. Naturland, Bioland oder Demeter habe viel strengere Auflagen und erfüllen damit eine wirkliche Bio-Qualität.
Was bewirken Enzyme in Backwaren?
Johannes Dackweiler: Enzyme sind letztendlich ein Naturprodukt und das kommt im Mehl vor. Die technischen Enzyme, über die wir reden sind jedoch künstliche Zusätze, die den Teig beeinflussen. Damit kann man das Produkt „designen“. Dazu ein Beispiel: Wenn eine große Kette, ein neues Produkt, wie zum Beispiel im Sommer ein mediterranes Baguette anbieten will, ruft sie im Chemielabor oder beim Enzymhersteller an und beschreibt, dass das Baguette bestimmte Eigenschaften haben soll. Das Enzymlabor öffnet das Köfferchen und kreiert das mediterrane Baguette so, wie es der Anbieter haben will.
Sie sprechen von „designtem“ Brot. Was verbirgt sich dahinter?
Johannes Dackweiler: Die „designten“ Backwaren sind Chemie, oft auch gentechnische veränderte Produkte. In Deutschland gibt es nur noch ganz wenige Bäckereien, die ohne technische Enzyme auskommen. Wir sind bei den „Freien Bäcker“, einer Berufsorganisation, die bestimmte Ansprüche an unser Bäckerhandwerk stellt. Dazu gehört auch, dass wir auf technische Enzyme oder gar Backmischungen verzichten.
Die Hercules Bäckerei verzichtet vermutlich nicht nur auf die technischen Enzyme. Was sind weitere Unterschiede zu den industriell gefertigten Backwaren?
Johannes Dackweiler: Bei den normalen Bäckern ist es so, dass das Mehl als Fertigteig ankommt und darin sind natürlich die chemischen Enzyme enthalten. Wir hingegen kennen unseren Erzeuger und wissen, wo und wie das Getreide wächst. Der Landwirt liefert uns das Getreide und wir mahlen es. Wir bekommen das Getreide so, wie es auf dem Feld gewachsen ist und müssen uns mit jeder Lieferung neu auf das Getreide einstellen. Wir mischen keine Hilfsstoffe bei. Wir sind wirkliche Handwerker, die über das nötige Fachwissen, viel Erfahrung und Können verfügen, um qualitativ gute Ergebnisse zu erzielen.
Nun kaufen viele Kunden ihr Brot und Brötchen im Supermarkt. Wie wirken sich die Billigwaren auf die Gesundheit aus?
Johannes Dackweiler: Die Lebensmittelindustrie hält es so, dass die Prozesse sehr kurz gehalten werden, damit man die Teige schnell verarbeiten kann. Vom Teig bis zu den fertigen Backwaren vergehen oft nur wenige Stunden. Diese Produkte haben den Namen Brötchen nicht verdient und mir wird oft schummerig, wenn ich lese, welche Inhaltsstoffe enthalten sind, um das Brot haltbar zu machen.
Bei uns dauern die Prozesse über 24 Stunden: Der Teig ruht und hat damit genügend Zeit, sich zu entwickeln. Natürlich haben wir immer schon gewusst, dass das Hercules Brot besser schmeckt und gesünder ist, aber wir konnten nie genau sagen, warum. Inzwischen gibt es von der Uni Hohenheim eine Studie und die beweist es wissenschaftlich. Es gibt FODMAPs in dem Getreide. Die FODMAPS stehen in dem Verdacht Allergien und Unverträglichkeiten hervorzurufen und die Weizenblähbauch haben auch nichts mit dem Weizen zu tun, sondern wie das Getreide verarbeitet wird. Da liegt der wesentliche Unterschied. Wir geben dem Teig die nötige Zeit. Dadurch werden die FODMAPs abgebaut und unsere Backwaren sind bekömmlicher und gesünder.
Wie sieht die Zukunft des Bäckerhandwerks aus?
Johannes Dackweiler: Wir stellen fest, dass es immer mehr Bäcker gibt, die das gleiche Produkt wie ein Discounter anbieten. Und wenn man keine Unterschiede mehr schmeckt, ist das problematisch. Deshalb gilt, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher informieren und unsere Aufgabe ist es, die Menschen über nahrhafte Backwaren aufzuklären. Unsere Kunden legen darauf Wert und schätzen unsere Bio-Backwaren – vielleicht können wir aber noch mehr Verbraucher erreichen, wenn wir die Unterschiede verdeutlichen.