Der Schatz der Region: Wolle mit Herkunft, Herz und Haltung

Manchmal beginnt Veränderung mit einer scheinbar kleinen Frage. Bei Frieda Feld war es die Neugier auf die Wolle der Düsseldorfer Rheinschafe, die sie auf eine ganz neue Spur brachte. Sie strickte immer gerne. Doch was sie 2021 begann, war mehr als nur Handarbeit. Es war der Start einer Idee, die Tradition, Regionalität und Nachhaltigkeit miteinander verbindet.

Als sie erfuhr, dass die Wolle der Schafe kaum etwas wert ist und meist weit unter den Schurkosten verkauft wird, konnte sie das nicht akzeptieren. Also kaufte sie kurzerhand 300 Kilo Rohwolle, suchte Wege, sie waschen und verspinnen zu lassen, und gründete ihr eigenes Label: rh:ool – die Wolle vom Rhein.

Heute verarbeitet sie die Wolle und beweist damit, dass man mit Leidenschaft, Ausdauer und einer klaren Vision sogar ein fast vergessenes Handwerk wiederbeleben kann.

Ein Gespräch von Elita Wiegand mit Frieda Feld über Mut, Pioniergeist und die Kraft, Dinge einfach zu machen.

Frieda-Feld-scaled Der Schatz der Region: Wolle mit Herkunft, Herz und Haltung

Wie kamst du auf die Idee, Wolle zu verarbeiten?

Frieda Feld: Es ist aus einem persönlichen Bedarf entstanden. Ich wollte etwas stricken aus einer Wolle, von der ich weiß, wo sie herkommt und wie die Tiere gehalten werden. In Deutschland gibt es kaum Angebote für regionale Wolle. Da ich auch spinne, habe ich mich mit den Materialien beschäftigt und mich gefragt: „Wo kommt der Faden her?“, und zack bin ich beim Schaf. Ich will grundsätzlich verstehen, wo die Dinge herkommen. So backe ich auch gerne Brot, weil ich das total abgefahren finde. Ich mahle dann auch die Körner selber und fertige den Sauerteig. Ich finde es beeindruckend, dass etwas in der Natur wächst und wir es essen oder uns damit kleiden können. Es ist faszinierend, diesen Prozess zurückzuverfolgen. Ich glaube, das ist das, was mich jetzt bei Wolle auch antreibt, dass ich einfach zurückgegangen bin an den Anfang, also zum Schaf.

0_IMG-20150601-WA0000 Der Schatz der Region: Wolle mit Herkunft, Herz und Haltung

Wie bist du auf die Rheinschafe in Düsseldorf gestoßen?

Frieda Feld: Ich habe überall Schafe gesehen, die ich vorher nicht wahrgenommen habe. Mein Bewusstsein für das Material hat sich geschärft. Eines Tages sah ich die Schafe auf den Rheinwiesen, weil sie in Düsseldorf und Köln zur Landschaftspflege eingesetzt werden. Ich fragte mich: „Was passiert eigentlich mit ihrer Wolle?“ Der Schäfer erzählte mir, dass sie meist entsorgt oder für Centpreise nach China geht. Für die meisten Schäfer ist die Schur ein Kostenfaktor, denn für fast alle liegen die Kosten höher als der Ertrag durch die Wolle. Mir ist in Deutschland kein Gegenbeispiel bekannt. Die Schafe werden einmal im Jahr geschoren. Das ist ein Beruf, den nicht jeder machen will. Die Arbeit ist körperlich anstrengend und mit viel Aufwand und Dreck verbunden. Die Tier- und Klauenpfleger befreien die Schafe von ihrem Wollkleid. Und dann wird diese Wolle in große Wollsäcke gestopft.

Warum ist die Arbeit mit Wolle recht aufwendig?

Frieda Feld: Ich kaufte 2021 rund 300 Kilo Rohwolle, sortierte sie selbst, ließ sie in Österreich waschen und anschließend in Wagenfeld verspinnen. Daraus entstand die erste Charge meiner Wolle: rh:ool, die Wolle vom Rhein. Heute verarbeite ich die gesamte Wolle von Schäfer Albert Görsmeyer aus Düsseldorf und Schäfer Ingolf Bollenbach aus Köln. Es ist aufwendig, weil die Wolle erst einmal nach der Schur in große Säcke gepackt, sortiert und gereinigt wird – und erst dann wird sie versponnen. Nicht alles ist nutzbar: Bauch- und Kopfwolle oder verschmutzte Partien werden aussortiert. Danach kommt die Wolle in die Spinnerei und zurück zu mir. Ein komplexer Prozess, aber jeder Schritt lohnt sich. Doch wir können den Bedarf an Wolle in Deutschland nicht decken, weil wir nicht genug produzieren. Das heißt, dass wir aus anderen Ländern etwas zukaufen müssen. Aber das, was wir haben, das könnten wir zumindest erstmal nutzen und wir müssen nicht die Wolle um die halbe Welt fliegen.

Viele denken bei Wolle an weich und kuschelig. Wie reagieren die Leute auf Deine Wolle?

Frieda Feld: Viele sind überrascht, wie robust sie ist. Die Wolle der Rheinschafe ist rauer als australische Merinowolle, aber sie hat Charakter. Ich sage immer: „Das ist nichts für Zartbesaitete.“ Aber genau das macht sie besonders: langlebig, ehrlich und mit Geschichte.

Warum ist Dir das Thema lokale Wolle wichtig?

Frieda Feld: Wir haben völlig verlernt, über die Herkunft unserer Materialien nachzudenken. So wissen wir nicht, woher unser Wollpulli stammt. Ich glaube aber, dass es mittlerweile einfach mehr Bewusstsein dafür gibt, dass alles, was wir tun, auch einen Fußabdruck hinterlässt. Es gibt zwei Extreme: Kaufst Du Deine Kleidung bei Primark oder machst Du sie selbst? Das ist ein Unterschied und das hat mittlerweile jeder verstanden. Deutsche Wolle wird oft entsorgt, weil sie sich wirtschaftlich nicht lohnt und weil sie den Verbrauchern zu rau ist. Dabei könnten wir zumindest das nutzen, was hier ohnehin anfällt, anstatt Wolle um die halbe Welt zu transportieren. Ich möchte Bewusstsein schaffen: Hinter jedem Wollknäuel steckt ein Tier und ein Stück Handwerk.

Rhool-Wolle Der Schatz der Region: Wolle mit Herkunft, Herz und Haltung

Wie groß ist die Nachfrage nach Deiner Wolle?

Frieda Feld: Ich habe klein angefangen, aber inzwischen verarbeite ich drei Tonnen im Jahr, weil das Interesse gestiegen ist. Es kommen immer mehr Leute auf mich zu und die sagen: „Ach krass, ja, ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt.“ Die Nachfrage wächst auch deshalb stetig, weil immer mehr junge Menschen wieder das Stricken entdecken. Viele sagen, das sei ihr „Oma-Hobby“, aber sie meinen das liebevoll. Auch Corona hat das Stricken regelrecht wiederbelebt. Viele haben das Bedürfnis nach etwas Echtem und Handgemachtem.

Du hast früher als Agile Coach gearbeitet und hast dann Deinen Job aufgegeben. Wie viel Mut gehört dazu, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen?   

Frieda Feld: Ich habe viele Jahre bei Sipgate als Team- und Organisationsentwicklerin gearbeitet. Ein großartiger Job, aber irgendwann wollte ich etwas Eigenes aufbauen. Das Wolle-Projekt startete gut, aber ich wusste nicht, ob ich davon leben kann. Ich hatte keinen strategischen Plan, eher ein „Go with the flow“. Ich folge meiner Neugier, schaue, was sich ergibt. Jetzt entwickelt sich meine Leidenschaft zum Beruf. Und: Menschen, die meine Wolle verarbeiten, sind begeistert. Ich produziere etwas, das man mit gutem Gewissen kaufen kann. Es ist regional, fair, transparent. Das gibt mir Sinn, Energie und Freude, jeden Tag weiterzumachen. Ich möchte, dass Menschen verstehen, was hinter einem Wollprodukt steckt, vom Tier bis zum Faden. Wenn dadurch mehr Bewusstsein entsteht und wir wieder achtsamer mit dem umgehen, was die Natur uns schenkt, dann habe ich mein Ziel erreicht.

Was ist dein Appell an alle, die sich für Handarbeit begeistern?

Ich appelliere, über die Herkunft, Qualität und Nachhaltigkeit nachzudenken. Weich ist nicht alles, aber ehrlich, regional und nachhaltig, das ist entscheidend. Jeder Pullover erzählt eine Geschichte. Und das ist es, was zählt.