Digitale Wiederauferstehung: Ein kritischer Blick auf die Welt der KI-Avatare von Verstorbenen

von Elita Wiegand

Der Tod eines geliebten Menschen ist endgültig. Vielleicht blieb vorher keine Zeit, sich zu verabschieden und man hätte sich noch viel zu sagen. Inzwischen bieten weltweit einige Tech-Startups bereits Dienstleistungen für ein digitales Leben nach dem Tod an: Die Unsterblichkeit mithilfe von KI ist zum profitablen Geschäftsmodell geworden. Ihre Einsatzmöglichkeiten reichen von „Gesprächen mit den Toten“ bis hin zu virtuellen Treffen mit Verstorbenen.

Eine Mutter trifft ihre verstorbene Tochter

Was da passiert, erlebten im Jahre 2020 Millionen Zuschauer:innen, als die koreanische Fernsehshow „Meeting You“ zeigte, wie die Mutter Jang Ji-sung ihre verstorbene Tochter traf. Die Sendung hatte einen Avatar erschaffen, der so aussah und sprach, wie die siebenjährige Tochter, die seit drei Jahren tot war. Sie konnte mit ihrer Tochter in der Virtuellen Realität (VR) nicht nur sprechen, sondern das Mädchen dank spezieller VR-Handschuhe sogar berühren.

Die Sendung hat weltweit eine Kontroverse ausgelöst. Während viele mit der Mutter fühlten, die ihr Kind noch einmal sehen wollte, fanden die Kritiker, dass die Macher der Reality-TV-Show zu weit gegangen sind.

Der Dokumentarfilm „Eternal You“ von Hans Block und Moritz Riesewieck beleuchtet die kontroverse Technologie

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Können uns Künstliche Intelligenz und Virtuelle Realität helfen, besser mit dem Tod und dem Verlustschmerz zurechtzukommen? Können wir weiterhin mit unseren Angehörigen und Freunden in Verbindung bleiben? Der Dokumentarfilm „Eternal You“ von Hans Block und Moritz Riesewieck beleuchtet diese kontroverse Technologie. Der Film entstand auf Basis des gleichnamigen Buches der Regisseure und setzt sich mit der Frage auseinander, inwieweit durch KI-generierte Avatare ein gewisser Grad an Unsterblichkeit erreicht werden kann. Die Dokumentation folgt den Akteuren und beleuchtet Motivationen und beschäftigt sich aber auch mit den Auswirkungen der Entwicklung.

Project December

Da wird zum Beispiel das „Project December“ vorgestellt. Joshua Barbeau ist Vorreiter auf dem Gebiet. Seine Geschichte: Er hatte vor fast einem Jahrzehnt seine Verlobte Jessica verloren. Er trauerte immer noch, als er auf eine Website stieß, die ihm das Gefühl gab, wieder mit Jessica zu kommunizieren. Mit Textausschnitten und Facebook-Nachrichten erstellte einen maßgeschneiderten KI-gestützten Chatbot. Auf der Website heißt es, dass man eine textbasierte Konversation mit jedem stimulieren könne. Auch jemand, der nicht mehr lebt.

Das KI-Programm, das durch die Nutzung fortschrittlicher Sprachmodelle interaktive Avatare verstorbener Personen erstellt, hat bereits viel Aufmerksamkeit und auch Kritik auf sich gezogen. OpenAI ist inzwischen ausgestiegen.

Ein anderes Beispiel: Der ehemalige Stand-up-Comedian und Filmemacher Justin Harrison ist einer der führenden Experten für bahnbrechende Trauertechnologie, zeigt in seinem eigenen Dokumentarfilm auf, wie tiefgreifend diese Technologie unser Verständnis von Tod und Trauer verändert. Er trainiert YOV-Avatare, sogenannte „Versonas“, um die Persönlichkeiten von Menschen auf der Grundlage gespeicherter Nachrichten, Sprachaufzeichnungen und Videos zu imitieren.

Ist das die obszöne Lust am technischen Machbaren, die hier wirkt?

Ein zentraler Kritikpunkt an der Verwendung von KI zur Schaffung digitaler Abbilder Verstorbener sind die möglichen psychologischen Auswirkungen auf die Trauernden. Experten warnen davor, dass die Interaktion mit einem digitalen Avatar eines Verstorbenen den Trauerprozess verzögern oder sogar verkomplizieren könnte. Anstatt den Verlust zu akzeptieren und zu verarbeiten, könnten Trauernde in eine virtuelle Realität flüchten, die sie daran hindert, echte emotionale Heilung zu erfahren.

Darüber hinaus wirft die Praxis auch erhebliche ethische Fragen auf. Wer hat die Kontrolle über die Daten der Verstorbenen? Und wie wird sichergestellt, dass diese Avatare nicht missbraucht oder für kommerzielle Zwecke ausgebeutet werden? Die Ersteller dieser Avatare und die Unternehmen, die sie anbieten, tragen eine enorme Verantwortung, die über den einfachen technischen Aspekt hinausgeht.

Psychologische und ethische Verantwortung 
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Die Regisseure Hans Block und Moritz Riesewieck | Foto: Peter von Felbert

Die Regisseure Block und Riesewieck hinterfragen in „Eternal You“ die Rolle der Technologieentwickler und ihre Verantwortung. Sie zeigen auf, dass die Entscheidung, einen digitalen Avatar zu erschaffen, nicht leichtfertig getroffen werden darf und dass klare ethische Richtlinien und Regulierung notwendig sind.

Justin Harrison und andere Entwickler in diesem Feld müssen sich der Tatsache bewusst sein, dass sie nicht nur mit Daten arbeiten, sondern mit den Erinnerungen und Gefühlen der Hinterbliebenen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit dieser Technologie ist unerlässlich, um zu verhindern, dass sie mehr Schaden als Nutzen anrichtet.

Schnittstelle Technologie und Emotionen

„Eternal You“ wirft ein wichtiges Licht auf die wachsende Schnittstelle zwischen Technologie und menschlichen Emotionen. Die digitale Wiederauferstehung durch KI ist ein faszinierendes, aber auch zutiefst beunruhigendes Konzept. Während die Möglichkeit, mit einer digitalen Version eines geliebten Menschen zu interagieren, zunächst verlockend erscheint, müssen wir uns die Frage stellen, ob dies wirklich der richtige Weg ist, mit Verlust und Trauer umzugehen. Letztlich liegt die Verantwortung bei den Entwicklern sicherzustellen, dass sie ethisch und verantwortungsbewusst eingesetzt werden und dass die Bedürfnisse und das Wohlergehen der Trauernden stets im Vordergrund stehen.