Karsten Schwanke: Ist das noch Wetter oder schon der Klimawandel?

Karsten Schwanke ist diplomierter Meteorologe und er zählt bundesweit zu den populärsten Moderatoren für Bildung und Wissenssendungen. Seine Karriere startete Schwanke als Moderator der Sendung „Das Wetter im Ersten“. Seitdem „macht“ und erzählt er sein Wetter: Um 19:50 und in den Tagesthemen im Ersten, oder auch im ARD-Morgenmagazin. Außerdem im WDR, RBB, NDR und SWR. Im Jahr 2012 gründete er die eigene Produktionsfirma WQ Media GmbH, mit der er die Wissenschaftssendungen für ARD-Alpha und ARTE produziert. Im November 2018 erklärte Karsten Schwanke im Wetter vor Acht den Zusammenhang zwischen dem langen, trockenen Sommer und dem Klimawandel. Das Erklärvideo wurde im November 2018 eines der meist geschauten Internetvideos. Für diese Erklärung wurde er für den Grimme-Preis 2019 nominiert. Im September 2019 wurde er für die beste Wettervorhersage Europas mit dem „TV Weather Forecast Award ausgezeichnet.

Ein Interview von Elita Wiegand.

Schwanke_Karsten Karsten Schwanke: Ist das noch Wetter oder schon der Klimawandel?

„Ist das noch Wetter oder schon der Klimawandel?“ So heißt Ihr aktueller Vortrag. Doch eigentlich trennen Meteorologen Wetter und Klima. Wie hat sich das in Zeiten des Klimawandels verändert? 

Karsten Schwanke: Natürlich ist das Wetter streng wissenschaftlich korrekt. Beim Klima reden wir über 30-jährige Mittelwerte, die globale Erwärmung lässt sich in Mittelwerten über Klimamodelle berechnen. Die Klimamodelle zeigen uns neben steigenden Temperaturen aber auch die Auswirkungen der Gletscherschmelze oder den Anstieg des Meeresspiegels. Dazu kommen neue Erkenntnisse, wie zum Beispiel der Umstand, dass eine erhöhte Temperatur auch mehr Feuchtigkeit in die Atmosphäre transportiert. Die Atmosphäre heute enthält weltweit deutlich mehr Feuchtigkeit im Mittel als vor 50 Jahren. Das schlägt sich zum Beispiel in Hurrikans nieder. Die Hurrikans sind heute sehr viel energiereicher, weil die Luftfeuchtigkeit ein hoher Energieträger ist – und sie werden in Zukunft noch regenreicher und intensiver. Manche Sommergewitter im Rheinland hätte es vielleicht auch ohne Klimawandel gegeben. Doch bei dem gleichen Gewitter vor 50 Jahren hätte sich weniger Regenwasser in den Wolken und eine weniger dicke Gewitterwolke gebildet. Das bedeutet, dass die Gewitter heute mehr Platzregen oder Hagel ausbilden.

Welche Veränderungen sehen Sie zusätzlich durch den Klimawandel? 

Karsten Schwanke: Wir haben 2018 erlebt, dass sich die Wetterlagen schnell umstellen, weil wir eine andere Zirkulation bekommen, als noch vor 50 oder 100 Jahren. In erster Linie aber werden wir mit höheren Temperaturen rechnen müssen. Wir hatten in Deutschland vielerorts über 40 Grad, aber auch in Frankreich gab es Temperaturrekorde. Die höheren Temperaturen werden zunehmen: Es wird in allen Monaten des Jahres wärmer. Eine Erwärmung von ein bis zwei Gard weltweit hört sich wenig an, aber das Fatale daran ist, dass wir deutliche Ausschläge bei den Einzelwerten erkennen. Zum Beispiel nimmt die Anzahl der heißen Tage mit mehr als 25 Grad deutlich zu. Wir werden mehr Hitzewellen bekommen, die automatisch zu mehr Dürreperioden führen. Auf der anderen Seite sehen wir, dass mehr Starkregen auch lokal zu mehr Überschwemmungen führt.

In Ihrem Vortrag erklären Sie, dass der Klimawandel auch mit dem Jetstream zusammenhängt. Was muss man sich darunter vorstellen? 

Karsten Schwanke: Der Jetstream ist eine Strömung, ein Starkwindband in ungefähr acht bis zehn Kilometern Höhe, dass sich in den mittleren Breiten wellenförmig von West nach Ost über die Nordhalbkugel bewegt. Der Wind ist der Motor für das Wetter auf der Erdoberfläche. Die Hoch- und Tiefdruckgebiete werden durch den Höhenwind gesteuert. Der Höhenwind entsteht durch die Temperaturunterschiede zwischen dem kalten Nordpol und dem warmen Äquator. Je kleiner die Temperaturdifferenzen sind, desto schwächer ist das Windband. Wenn dieses Windband nur noch in Bruchstücken vorhanden ist, dann bewegen sich die Tiefdruck- und Hochdruckgebiete nicht mehr richtig von der Stelle. Die Auswirkungen der Hochdruckwetterlage und die Trockenheit haben wir im aktuell erlebt.

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Was können wir tun, um die Folgen der Dürreperioden, der Unwetter oder der Hitze zu begrenzen?

Karsten Schwanke: Wir müssen unsere Städte grüner machen und viel mehr Frischluftschneisen schaffen. Durch mehr Grün werden die Temperaturen in der Stadt abgemildert, und durch die Verdunstung wird den Hitzewellen die Spitze genommen. Als Kohlendioxydspeicher sind gesunde Wälder wichtig, die wir für den Klimawandel fit machen müssen. Wir sehen jetzt schon viele abgestorbene Bäume als Folge der Trockenheit in den letzten beiden Jahren. In der nächsten Zeit werden wir viele Bäume nicht mehr retten können. Unsere Wälder müssen deshalb möglichst bunt werden, wir brauchen Wälder mit einer gesunden Mischung aus heimischen Arten. Kiefern oder Fichten als Monokulturen werden den Klimawandel nicht überleben. Je naturbelassener ein Wald ist, desto eher wird er auch mal mit einer Trockenperiode zurechtkommen. Wenn wir es nicht schaffen das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, dann werden auch die gesundesten Wälder sehr bald große Probleme haben und wir werden immer mehr kranke und tote Wälder erleben.

Der Weltklimarat hat globale Klimalösungen vorgestellt, um CO2 einzusparen. Welche Maßnahmen sind überraschend?  

Karsten Schwanke: Es gibt verschiedene Überlegungen, wie wir CO2 einsparen. Oberstes Ziel ist, dass wir den Kohlendioxydausstoß reduzieren. Wissenschaftler zeigen in der „Project Drawdown“ Studie viele Möglichkeiten auf. An erster Stelle stehen die Kühlmittel in Kühlanlagen und Kühlschränken. Wir wissen, dass jeder Kühlschrank und jede Klimaanlage chemische Kältemittel enthalten, die Wärme aufnehmen und abgeben, um das Abkühlen zu ermöglichen. Kältemittel, insbesondere FCKW und H-FCKW haben einst zum Abbau der Ozonschicht beigetragen – 1987 wurden sie verboten. HFKWs, der primäre Ersatz aber ist jetzt ein absoluter Klimakiller.

Auf Platz 6 und 7 stehen: Bildung für Mädchen und Frauen weltweit und Freiheit in der Familienplanung. In den Ländern, in denen Mädchen und Frauen freien Zugang zur Bildung haben, in denen sie frei entscheiden können, werden weniger Kinder geboren. Die Bevölkerungsexplosion bewirkt natürlich, dass mehr Menschen in Wohlstand leben, das Wirtschaftswachstum angekurbelt wird und das bedeutet gleichzeitig, dass sich der CO2 Ausstoß weiter erhöht und wir die Klimaziele kaum erreichen.

Um die Klimaziele zu erreichen, ist die CO2 Bepreisung ein wichtiger Ansatz, allerdings mit unterschiedlichen politischen Prioritäten. Welche Meinung vertreten Sie?   

Karsten Schwanke: Ich spreche mich vor allem für eine umfassende CO2 Bepreisung aus. CO2-Emissionen müssen einen Preis bekommen. Es kann nicht sein, wenn Menschen, deren ökologischer Fußabtritt sehr klein ist, mehr Kosten für die Umstellung der Energieversorgung auf regenerative Energien tragen, als andere. Das muss intelligent angepackt werden und wir brauchen gleichzeitig Alternativen. Ich kann nicht innerdeutsche Flüge oder den Autoverkehr verbieten ohne einen immensen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs zu planen – das muss alles ineinandergreifen. Wir müssen gleichzeitig die Finanzspritzen für eine CO2-intensive Industrie abbauen. Eine CO2 Bepreisung wäre der ehrlichste Antrieb, um die Gesellschaft in eine andere Bahn zu lenken, emissionsarme oder emissionsfreie Techniken zu fördern, auszubauen und sie letztlich auch zu belohnen. Ich wünsche mir eine Lösung, in der alle in der Gesellschaft mitgenommen würden. 

Was ist Ihr persönlicher Beitrag zum Klimawandel?

Karsten Schwanke: Mein größter Beitrag ist, dass ich als Kommunikator auf die Klimaveränderungen in Vorträgen hinweise, informiere, aufkläre – meine Stimme erhebe und Stellung beziehe.

Kontakt

Karsten Schwanke

Mail: karsten (@) schwanke.tv

Web: http://schwanke.tv

Project Drawdown – Lösungen

Weitere Infos: www.drawdown.org

  1. Kühlmittel ändern
  2. Windturbinen (On Shore)
  3. Verringerung Nahrungsmittelverschwendung
  4. Vegetarische Ernährung
  5. Schutz tropischer Regenwälder
  6. Bildung für Mädchen
  7. Familienplanung (Frauen)
  8. Solarkraftwerke als Solarfarmen
  9. Wald-Weide-Nutzung
  10. Dach-Solar-Panels
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