Die Wirtschaft nach Corona
Rückwärts in die Vergangenheit
oder Sprung in die Zukunft?
Von Gerold Wolfarth
Wie wird sich die Wirtschaft entscheiden, wenn es uns gelingt, den globalen Kollaps zu überwinden: Kehren wir zurück zum „business as usual“, sobald der weltweite Wirtschaftsturbo wieder anspringt oder finden wir zu einer neuen Balance zwischen sozialer, ökonomischer und ökologischer Vernunft?
Die Welt, wie wir sie kennen, löst sich gerade auf und formiert sich neu. Vieles kommt ins Rutschen. Alle Routinen, Handlungskonzepte und Zukunftsentwürfe stehen zur Disposition. Wir werden nicht mehr zur gewohnten Normalität zurückkehren können. Eine neue Realität zeigt uns die Grenzen auf.
Auswirkungen der Krise
Die globale Just-in-Time-Produktion, mit riesigen verzweigten Wertschöpfungsketten, steht still. Die Uhr läuft nicht nur gegen die Wirtschaft. Denn auch sämtliche Teilsysteme der Gesellschaft gehen in die Knie – und zwar in einer nie dagewesenen, globalen Gleichzeitigkeit, die uns verwundbar macht.
Die Auswirkungen der sich entfaltenden Krise für die Wirtschaft sind gigantisch und die zukünftigen ökonomischen Folgen nur zu erahnen. Wie auch immer: Viele Unternehmen werden leiden, einige aufgeben und die meisten es nicht ohne Unterstützung schaffen. Auf dem Spiel stehen die Existenzen von vielen Millionen Menschen und die Solvenz ganzer Staaten.
In einem dramatischen Akt führt uns die Krise die Schwächen unserer Systeme, Konzepte und Wertvorstellungen vor Augen. Das zu erkennen, ist wichtig. Aber nicht für ein linear weiter gedachtes Fortschreiben des Alten. Denn ein Zurück in diese Welt gibt es nicht mehr. Der Shutdown hat viele Gewissheiten ins Wanken gebracht und Entwicklungen in Gang gesetzt, die irreversibel sind.
Ein unterschätzter Virus hat eine moderne überhitzte Welt am Anschlag mit Wucht ausgebremst. Wir werden lernen müssen, unsere Sicht auf die Dinge und wie wir über sie denken, grundlegend zu ändern. Die Vorstellung von Zukunft als Steigerung des Erreichten, erweist sich als Illusion. Die Dynamik der Entwicklung ist nicht mehr länger wirklich beherrschbar und Zukunft ungewisser als je zuvor. Der Umgang mit Ungewissheit und Instabilitäten will schnell gelernt werden.
Der Shutdown schafft neue Fakten
Während die traditionelle Wirtschaftspolitik Krisen als reparierbaren und beherrschbaren Betriebsunfall schönredet, schafft der Shutdown neue Fakten. Wir werden uns an die Krise als Normalzustand gewöhnen müssen, die Überholtes schonungslos ablöst, um aus dem Gleichgewicht geratene Systeme in eine neue Balance zu bringen. Dieser Veränderungsprozess hat gerade erst begonnen und Nostalgie als Programm für die Zukunft daher ausgedient.
Diejenigen, die uns heute eine schnelle Wiederauferstehung der Wirtschaft verkaufen wollen, beschwören nur den leblosen Geist der Vergangenheit. Denn selbst das langsame „Wiederhochfahren“ der Wirtschaft kann nicht unter normalen Bedingungen ablaufen. Zu viele neue Unbekannte sind im Spiel, zu komplex ist der Wandel in unserer hypermobilen, fortschrittsgetriebenen Weltgesellschaft, um einfach wieder zum Status Quo zurückkehren zu können.
Exzesse durch Mehrproduktion, Mehrkonsum, Mehrverschleiß, Mehrtourismus
Zudem hat die Globalisierung nahezu überall ein aggressives, fast totalitäres Wirtschaftsmodell durchgesetzt, das sich nur durch schuldenfinanzierten Exzess, nur durch Mehrproduktion, Mehrkonsum, Mehrverschleiß, Mehrtourismus und durch die Erfindung von Bedürfnissen stabilisiert, von denen wir gestern noch gar nicht wussten, dass wir sie heute haben würden.
Lebenswerte Zukunftsmodelle
Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Wir müssen zu einem neuen Konsens sozialer, ökonomischer und ökologischer Vernunft finden. Weg von reiner Effizienz- und Profitorientierung. Jetzt gilt es, praktische Alternativen zu entwickeln, die als echte lebenswerte Zukunftsmodelle dienen können und uns aus dieser Sackgasse herausführen. Vernetzen Sie sich mit den kreativen Netzwerken der Erneuerung. Handeln wir, solange uns die Zeit dazu bleibt.
Unternehmen sind gut darin beraten, sich jetzt der Frage zu stellen: Zurück zum alten Spiel – oder den Sprung in die Innovation wagen? Hin zum Neustart. Wo sie sich neu erfinden. Nicht einfach weitermachen wie bisher. Das erfordert eine neue Qualität visionärer Unternehmensführung und auch Mut, Neues zu denken und Innovationen zu erproben, die gerade die Wirtschaft wieder glaubhaft mit den Menschen, der Natur und den Märkten der Zukunft verbindet.
Machen Sie sich bewusst: Da wo sich keiner auskennt, da ist vorne und da beginnt das Neue. Das ist auch Ihr Platz – als Pionier und Architekt einer Ökonomie der Zukunft. Nehmen Sie Ihre Mitarbeiter als Führungsteam und als enge Verbündete mit auf Ihren Weg der Erneuerung. Denn so gelingt die Transformation, und nur dann haben Sie auch morgen weiter die Nase vorn.
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Gerold Wolfarth
Unternehmer, Autor, Speaker
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