Buchtipp: Weniger ist mehr
Warum der Kapitalismus den Planeten zerstört und wir ohne Wachstum glücklicher sind
Jason Hickel
von ZukunftsMacher Helmut Scheel
In seinem neuen Buch greift der Wirtschaftsanthropologe Jason Hickel ein bekanntes Motto als Titel auf: Weniger ist mehr. Die Transformationsforscherin Maja Göpel schreibt im Vorwort zu diesem Buch: „… Es kann kaum eine bessere Person geben…, um der Debatte um unsere Zukunft jene Grundlagen mitzugeben, die eine ernsthafte Diskussion von Lösungen möglich machen.“ Hickel lässt den Leser:in nicht allein mit den destruktiven Analysen des Zustandes und der Entwicklung unseres Planeten, wenn wir so weitermachen wie bisher. Interessant ist, dass er den ersten Teil mit der Umkehrung des Buchtitels überschreibt: Mehr ist weniger.
Ausbeutung: Von der Kolonialisierung, dem Sklavenhandel bis zu den Ressourcen
Der Autor verortet die massiven ökologischen Herausforderungen unserer Zeit in der DNA des Kapitalismus. Er geht zurück bis ins 15. Jahrhundert. Der Beginn des Kapitalismus beschreibt er als die Einzäunung von Land von Privatpersonen begann. In dem Buch bezeichnet es der Autor mit „Enclosure“ . Es beschreibt anfänglich die Überführung von Allmenden in einen privaten Gebrauch. Von einem Allgemeingut in Eigentum. Durch diese Art von Verknappung der Flächen waren die Bauern gezwungen, ihren Lebensunterhalt in Abhängigkeit zu verdienen. Sie mussten für ihre „Herren“ arbeiten und waren auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen. Von den regionalen Eingrenzungen wurde das System des Enclosure weiter auf den Globus ausgeweitet. Der Wirtschaftsanthropologe zählt dazu die Kolonialisierung und den Sklavenhandel, sowie die heutige Ausbeutung der Rohstoffe im globalen Süden.
Verknappung, um Gewinne zu steigern
Da der Kapitalismus jedoch von ständig steigendem Wachstum angetrieben wird, muss auf der anderen Seite etwas im gleichen Umfang verknappt werden. Diese Verknappung an Ressourcen führt die Ärmsten in eine immer weiter steigende Abhängigkeit. Selbst in den wohlhabenden Staaten ist die reale Verknappung ein Mittel zu Steigerung der Gewinne. Wir sehen dies gerade im Bereich von fossilen Energien sehr deutlich. Allerdings hat die Werbung genau diesen Aspekt ebenfalls aufgegriffen und konfrontiert uns damit, dass wir dieses und jenes Produkt für ein besseres Leben unbedingt brauchen. Hier wird praktisch mit einer psychologischen Knappheit oder Entbehrung zum Kauf gereizt. Damit nimmt das neueste Handy psychisch den Platz des Ackers ein, den man benötigt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dieses System führt dazu, dass immer weniger Menschen immer mehr haben oder „Mehr ist weniger“ für die meisten.
Das Bruttosozialprodukt Dilemma
Dieser Akkumulationszwang muss durchbrochen werden, wenn wir die Grundlagen für menschliches Leben auf unserem Planeten retten wollen. Daher überschreibt Hickel den zweiten Teil des Buches mit der Hauptüberschrift: Weniger ist mehr. Dies beginnt damit, dass die Vermögensverhältnisse sich nicht weiter auseinanderentwickeln dürfen. Er belegt es auch damit, dass es allen Menschen in einem Land besser geht, wenn die Vermögen nicht zu sehr differieren. Ebenfalls sollte mit dem Märchen vom Zusammenhang des Wohlstandes eines Landes mit dem Bruttoinlandsprodukt aufgeräumt werden. Entscheidend sind für ihn der Wohlfühlfaktor und die Lebenserwartung der Bevölkerung. Als Beispiel nennt er die USA mit einem BIP von knapp 60.000 US-Dollar pro Kopf und eine Lebenserwartung von 78,7 Jahren. In Portugal ist das Einkommen 65 Prozent niedriger, aber die Portugiesen haben eine Lebenserwartung von 81,1 Jahren. In dieser Art zeigt der Autor noch weitere verfestigte Illusionen auf. Die gilt es als erstes zu beseitigen. Im fünften Kapitel zeigt er mögliche „Pfade in eine postkapitalistische Welt“ auf und schließt mit dem sechsten Kapital „Alles ist verbunden“, was bedeutet, dass wir es mit einer sehr komplexen Herausforderung zu tun haben.
Mein Fazit des Buches
Wir können gemeinsam eine lebensfähige Welt für den Menschen schaffen. Das ist jedoch kein Sonntagnachmittagsspaziergang nach dem Mittagessen. Es ist eine Kraftanstrengung, vor allem von den reichen Staaten. Und die Kraft, die wir bisher für ein immer mehr verwendet haben, muss umgelenkt werden in eine Zufriedenheit mit weniger materiellen Gütern und mehr Lebenszeit jenseits der Geldwelt.
Buchtipp
Warum der Kapitalismus den Planeten zerstört und wir ohne Wachstum glücklicher sind
oekom Verlag
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Über den Autor
Jason Hickel ist Anthropologe und lehrt an der London School of Economics. Geboren in Eswatini (ehem. Swasiland) verbrachte er einige Jahre in Südafrika, um die sozialen Folgen der Apartheid zu erforschen. Hickel schreibt regelmäßig für Zeitungen wie den Guardian über Themen wie globale Ungerechtigkeit, Postwachstum und ökologisches Wirtschaften. Er warnt: »Wachstum verhält sich wie ein Virus.«