ZukunftsMacher VIPs: 50 Jahre nach den Grenzen des Wachstums
Wie schaffen wir den Wandel und kriegen die Kurve?
von Elita Wiegand
Am 2. März 1972 veröffentlichte der Club of Rome den Bericht „Die Grenzen des Wachstums“. Damals wollte es der Club of Rome genau wissen, wie Umwelt, Wirtschaftswachstum, Industrialisierung und der Verbrauch von Ressourcen zusammenhängen und sie beauftragten Dennis Meadows und ein Team vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit einer Studie.
Das Forschungsteam untersuchte die Fragen der Zukunft mit aufwendigen Computersimulationen. Bei den Hochrechnungen wurde sehr deutlich: Ein „Weiter so“ würde es ohne massive Krisen nicht geben können. „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unvermindert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht“, so die Schlussfolgerung. Der kritische Blick auf das Wachstum wurde in Buchform veröffentlicht und in über 30 Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft.
Was ist aus den Erkenntnissen geworden?
Das war Thema unseres virtuellen Zoom-Meetings ZukunftsMacher*innen VIPs mit Prof. Stefan Brunnhuber.
ZukunftsMacher Stefan Brunnhuber ist Ökonom und Psychiater, Mitglied des Club of Rome und Senator der Europäischen Akademie der Wissenschaften. Hauptberuflich ist er ärztlicher Direktor der Diakonie-Klinik und Professor für Psychologie und Nachhaltigkeit an der Hochschule Mittweida in Sachsen.
Wechsel des gesellschaftlichen Aggregationszustands
In dem ursprünglichen Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ mit den World3 Modellen ging es erstmalig darum, die planetarische Dynamik zu erforschen. „Das war zu den damaligen Zeiten revolutionär, weil es um eine systemische Auseinandersetzung im Zusammenhang mit Menschen und Gesellschaft, der Natur und den Planeten ging, die zwölf Szenarien von 1900 bis 2100 beinhaltete“, betont Stefan Brunnhuber. Die Studie beschreibt die Folgen des exponentiellen Wachstums: Das System kippt, der Kollaps droht.
Wir sprechen in dem Zusammenhang oft von Krisen, also von der Klimaerwärmung, dem Artenverlust oder von Pandemien. „Der Begriff Krise assoziiert Angst und ein Schreckensszenario. Ich sehe eher einen Wechsel im gesellschaftlichen Aggregationszustand von der einen in eine andere Form des Miteinanders. Es liegt an uns, wohin wir steuern“, betont Stefan Brunnhuber.
Exponentiellen Entwicklungen
Bei dem Aggregationszustand spielt die menschliche Komponente indes eine entscheidende Rolle: Menschen haben kein Sensorium für exponentielle Entwicklungen. So denken wir immer nur in linearen Entwicklungsschritten und in kurzen Zeitabschnitten und handeln auch immer nur linear. „Die Fähigkeit, Expotentialität in unseren Entscheidungshorizont einzubauen, ist uns genetisch und in unserer Wahrnehmung psychologisch nicht gegeben“, so Stefan Brunnhuber. Obwohl wir für ökologische Fragen sensibilisiert sind, die „Fridays for Future“ Bewegung auf die Straße geht und viel Forschung betrieben wird, ist der Transformationsprozess bisher nicht gelungen.
Die Schwachstelle der Debatte über die Zukunft sieht er darin, dass bislang ein Parameter vernachlässigt wurde, nämlich die Bedeutung des Geld- und Finanzsystems. „Somit laufen wir Gefahr, die Last der Transformation auf den Schultern des Einzelnen abzuladen“, sagt der Ökonom.
Wie die Nachhaltigkeitsziele der UN finanzieren?
Wie aber finanzieren wir die Nachhaltigkeitsziele, die Sustainable Development Goals (SDGs), die 2015 von Staats- und Regierungschefs der Welt in New York ausgesprochen worden?
Für die Aufgaben der nachhaltigen Transformation werden etwa vier bis fünf Billionen US-Dollar jährlich benötigt. Zunächst müssen wir also anerkennen, dass wir fünf Billionen zusätzliche Liquidität brauchen und die Herausforderungen anders angehen, als man das bisher durch Privatisierung, Umverteilung oder Philantropie umgesetzt hat. Die herkömmlichen Mittel und Instrumente der Finanzindustrie sind ungeeignet und die traditionellen Finanzierungswege werden nicht ausreichen.
Zwei Drittel der SDGs sind Kollektivgüter, wie zum Beispiel saubere Luft oder Bildung, der Zugang zur Gesundheitsversorgung oder der Erhalt der biologischen Vielfalt. Die Allgemeingüter sollten für jeden zugänglich sein. Um das Ziel zu erreichen, plädiert Stefan Brunnhuber dafür, dass an Stelle des bestehenden Finanzsystems ein monetäres Ökosystem mit Kryptowährungen und Regionalwährungen entsteht. „Mit einer grünen Parallelwährung können wir Armut und Hunger finanzieren, ebenso Klimaschutz oder Geld die für Anpassung der Klimafolgen. Es wäre genau der Hebel, den wir brauchen“, konstatiert Prof. Brunnhuber.
Wer ökologische und soziale Probleme lösen will, braucht neben dem konventionellen Geldsystem noch ein komplementäres,“ so der Ökonom. Für die neuen Finanzinstrumente sind zwei Dinge nötig: Durch eine Blockchain-Technologie ließen sich die Geldströme lückenlos steuern und kontrollieren. Und für die Zentralbanken müsste ein erweitertes Mandat eingerichtet werden, damit das grüne Geld bereitsteht.
Komplementärwährungen sind keine Konkurrenz zu konventionellem Geld, sondern sie sind eine Ergänzung, um die Klimaziele zu erreichen. Mit Kryptowährungen haben wir bereits jetzt eine Marktkapitalisierung von 1,5 bis 2,5 Billionen US-Dollar. Auf der Ebene der NGOs haben wir außerdem viele Regionalwährungen.
Sustainability drives finance
Sustainabilty drives Finance – das ist sein Leitsatz und mit dem Schwerpunkt beschäftigt er sich auch in seinem aktuellen Buch Financing Our Futures.
Mit der motivierenden Wirkung des Geldes können wir durch eine Veränderung des Währungssystems die Richtung bestimmen, in die wir uns bewegen wollen, um nachhaltigen Wohlstand, Frieden und eine lebenswerte Zukunft zu schaffen. Denn: Geld und Finanzen sind keine Naturgesetze, sondern sind Konventionen, es sind Regeln von Menschen gemacht, die wir auch ändern können. Wir müssen umdenken und den Teufelskreis durchbrechen.
Fotos: Stefan Brunnhuber und Elita Wiegand
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