Wie MyEnergy.Farm die Energieberatung mit KI verändert
von Elita Wiegand
Das Unternehmen MyEnergy.Farm aus Sachsen zeigt, wie datenbasierte Energieberatung nicht nur Fördermittel optimal ausschöpft, sondern die Energiewende in die Fläche bringt: mithilfe von Künstlicher Intelligenz und einer Vision für Europa.
MyEnergy.Farm berät Eigentümer von Wohn- und Gewerbeimmobilien bei energetischen Sanierungen: datenbasiert, algorithmusgestützt und mit einem Ziel: die Energiewende skalierbar machen. Damit verändert sich das Geschäft disruptiv, denn ZukunftsMacher Ole Renner, Gründer und CEO denkt Energieberatung effizient und datenbasiert.
„Wir wollten raus aus der Welt der Bauchentscheidungen hin zu faktenbasierten, optimierten Empfehlungen“, erklärt Renner. Was simpel klingt, ist in Wirklichkeit eine komplexe technische Innovation. Und sie könnte die Art, wie energetische Sanierungen künftig ablaufen, grundlegend verändern. Dabei setzen Renner und sein Team auf eine andere Methode. „Energieberatung ist im Kern eine hochkomplexe Optimierungsaufgabe“, betont Ole Renner. „Jede Maßnahme beeinflusst andere und Förderungen gibt’s nur bei bestimmten Kombinationen.“ Was fehlt, ist häufig Transparenz. Und genau da setzt MyEnergy.Farm an.
Von der Wärmepumpe zur Fassadendämmung: Energieberatung als Zahlenspiel
Ein klassisches Szenario: Eine Familie kauft ein altes Haus, unsaniert, technisch überholt, aber bewohnbar. Zwischen Minimalprogramm und Vollsanierung liegen dutzende Varianten. Doch alle sind mit anderen Kosten und Förderchancen verbunden. Deshalb beginnt die Beratung mit einem individuellen Energiekonzept. Dazu zählen Maßnahmen, Investitionskosten, Fördermittel, Amortisationszeit und die CO₂-Bilanz. Im zweiten Schritt vermittelt das Team passende Fachfirmen und kümmert sich um Angebote und Förderanträge.
Ein lernender Algorithmus entwickelt mit der TU Dresden
Damit dieser Aufwand skalierbar wird, arbeitet MyEnergy.Farm seit 2024 mit der Technischen Universität Dresden an einem KI-gestützten Optimierungs-Tool. Das Ziel: Nicht mehr der einzelne Energieberater bestimmt, was empfohlen wird, sondern ein Algorithmus, der auf Erfahrung aus Hunderten Projekten zugreift.
„Wir übersetzen das, was wir gelernt haben, in eine Datenbank und entwickeln daraus Lösungen, die effizienter, objektiver und nachvollziehbarer sind als jede manuelle Beratung“, sagt Renner. Der Algorithmus erstellt vorgefilterte Maßnahmenpakete, die der Energieberater prüft und ergänzt. Das ist kein KI-Automatismus, sondern ein hybrider Ansatz: Menschliche Erfahrung trifft auf Rechenlogik.
Die App, die Klarheit bringt
MyEnergy.Farm hat auch eine hauseigene App entwickelt, die kostenlos und anonym zugänglich ist. Wer ein sanierungsbedürftiges Gebäude besitzt, kann online am Bildschirm eine vereinfachte Version seines Hauses modellieren. Die App analysiert den Ist-Zustand und schlägt auf Basis eines KI-gestützten Algorithmus drei mögliche Sanierungsstrategien vor, inklusive Investitionskosten, Amortisationszeit und Auswirkungen auf die laufenden Energiekosten.
„Unsere Motivation war ganz klar: Es braucht ein Tool, das Menschen überhaupt erst einmal befähigt, sich mit ihrer Immobilie auseinanderzusetzen, ohne direkt mit Verkaufsdruck konfrontiert zu werden“, sagt Renner. Der Clou: Die App verlangt keine persönlichen Daten. Das Vertrauen soll über Qualität entstehen, nicht über Leadgenerierung.
Energieberatung als Optimierungsaufgabe
Die eigentliche Energieberatung läuft ähnlich datenbasiert ab. Zunächst analysiert das Team die Immobilie vor Ort. Dann errechnet der Algorithmus, gespeist mit unzähligen Erfahrungswerten und wissenschaftlichen Parametern, bis zu 15 verschiedene Sanierungsszenarien. Diese werden nicht nur technisch, sondern auch finanziell bewertet.
„Es geht bei uns nicht darum, einfach nur Fördermittel zu beantragen“, betont Renner. „Wir helfen unseren Kunden, die komplexen Zusammenhänge zwischen Sanierungsmaßnahme, Förderfähigkeit und langfristiger Kostenstruktur zu verstehen.“ Denn oft entscheidet nicht die Höhe der Förderung, sondern die Frage, ob sie den notwendigen Mehraufwand rechtfertigt.
Warum KI hier den Unterschied macht
Die Vielfalt an technischen Möglichkeiten, von Heizsystemen über Dämmvarianten bis zu gesetzlichen Fördervorgaben, ist enorm. Klassische Energieberater stoßen hier oft an Grenzen. „Das ist eine komplexe Optimierungsaufgabe“, sagt Renner. Und genau hier setzt die KI an: Sie filtert die besten Lösungswege vor, stellt Abhängigkeiten her und bringt Licht in ein bisher schwer durchschaubares Feld.
Die Vision: Ein digital unterstützter Energieberater, der nicht ersetzt wird, sondern durch die KI präziser, schneller und besser arbeitet. „Die Qualität der Beratung hängt heute oft an einer einzelnen Person, das ist weder skalierbar noch zukunftsfähig.“
Wachstum, Skalierung, Europa: Die Energieberatung von morgen
Mit einem Netzwerk von sogenannten „Hubs“ will MyEnergy.Farm nun deutschlandweit wachsen. Die Idee: Lokale Ansprechpartner erfassen vor Ort die Gebäudedaten, während das sächsische Backoffice die Konzepte erstellt. „Wir arbeiten daran, dass die Qualität der Energieberatung unabhängig vom Standort wird“, so Renner.
Langfristig denkt das Team auch europäisch. „Gebäudephysik endet nicht an Landesgrenzen“, sagt Renner. Die Voraussetzung für den Rollout in anderen Ländern wäre lediglich die Anpassung an lokale Förderregularien. technisch sei das Modell universell anwendbar. Aktuell ist das Unternehmen u. a. Partner der Sparkassen in Dresden, Leipzig und Bautzen. Für die nächste Entwicklungsstufe werden zur Finanzierung des Algorithmus und neuer Standorte Investoren gesucht.
Warum er all das tut
Für Ole Renner ist das mehr als ein Geschäftsmodell. Der dreifache Vater kam aus der Windkraft, sah aber dort zu wenig Impact. Als er miterlebte, wie ein Freund eine mangelhafte Energieberatung erhielt, wurde ihm klar: „Das kann man besser machen. Vor allem datenbasierter.“ Seine Motivation: die Energiewende pragmatisch voranzubringen.
„Wenn wir es schaffen, Gebäudeeigentümer gut zu informieren, treffen sie auch nachhaltigere Entscheidungen“, ist Renner überzeugt. „Transparenz macht mutig und führt zu mehr CO₂-Einsparung.“ Genau das, was die Energiewende jetzt braucht.
Fotos: MyEnergy.Farm