ZukunftsMacher Buchtipp: Das Weltbild der Circular Economy und Bioökonomie

von Thomas Marzi und Manfred Renner

Buchbesprechung von ZukunftsMacher Helmut Scheel

Ein ganzes Buch für einen Begriff

Der zweite Band der Reihe widmet sich dem Kreislaufgedanken, einem auf den ersten Blick selbstverständlichen Begriff. Warum aber ein ganzes Buch darüber schreiben? Diese berechtigte Frage werfen die Autoren selbst auf. Ist der Kreislauf tatsächlich das passende Leitbild für die Circular Economy und die Bioökonomie oder führt er in die Irre?

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Dr. Thomas Marzi und Prof. Dr.-Ing. Manfred Renner

Die Suche nach dem Ursprung des Kreislaufs

Bereits im ersten Kapitel führen die Autoren die Leser weit zurück in die Vergangenheit. Das Kreislaufsymbol gehört zu den tiefsten Archetypen der Menschheit, wie C. G. Jung betonte. Kein Wunder also, dass die Autoren bei den frühesten Spuren des Homo sapiens beginnen. Gründlich und auf das Grundsätzliche bedacht, beziehen sie alles ein, was den Begriff geprägt hat: die Kugel als räumliches Pendant, den Ouroboros als Symbol des Selbstbezugs sowie frühe Bildzeichen und weitere kulturelle Darstellungen.

Vom Blutkreislauf zur Kreislaufwirtschaft

Im zweiten Teil nehmen Thomas Marzi und Manfred Renner eine umfassende historische Einordnung vor. Sie zeigen, wie der Kreislaufgedanke von den Philosophen der Antike über Naturvorbilder bis hin zu ökonomischen Modellen gewandert ist. Dabei weisen sie immer wieder auf die Begrenztheit der jeweiligen Ansätze und Theorien hin. Besonders hilfreich sind die zahlreichen Grafiken und Visualisierungen, die abstrakte Gedankengänge greifbar machen.

Die Autoren analysieren verschiedene Arten von Kreisläufen: biologische Zyklen wie Werden und Vergehen, den Blutkreislauf als historisches Vorbild, Stoffumwandlungen, geochemische Kreisläufe, die Abfallwirtschaft sowie die Modelle der Circular Economy und der Bioökonomie. Dabei stellen sie immer wieder die Frage, ob diese wirklich von Natur aus zirkulär sind oder ob hier ein Bild bemüht wird, das der Realität nicht standhält.

Wie viele Kreisläufe gibt es?

Da diese neue Dimension die bisherige Vorstellung von Kreisläufen infrage stellt, widmen die Autoren dem Begriff selbst einen eigenen Abschnitt. Sie prüfen, welche Merkmale einen echten Kreislauf ausmachen und inwiefern dieses Bild in der ökonomischen Debatte möglicherweise in die Irre führt. Erst danach wenden sie sich im sechsten Teil den gängigen Modellen der Circular Economy und Bioökonomie zu und hinterfragen deren Übertragbarkeit auf die Realität.

Der vergessene Faktor Zeit

Ein seltener, aber entscheidender Gedanke findet im vierten Teil Raum: der Faktor Zeit. Prozesse erscheinen im kurzen Zeitraum linear, entfalten sich über lange Zeiträume hinweg jedoch als Kreisläufe.  Ebenso kann aus zwei linearen Prozessen ein zirkulärer entstehen, wie es beim Wasserkreislauf oder beim Kohlenstoffkreislauf der Fall ist.

Marzi und Renner übertragen diese Überlegungen auf reale Vorgänge im Sonnensystem und machen deutlich: Wer den Kreislauf als bloße Fläche denkt, übersieht die dritte Dimension, die Zeit. Wie bei einer Spiraltreppe zeigt erst der Perspektivwechsel, dass hier nicht nur eine Linie, sondern auch eine Richtung und Bewegung in der Zeit vorliegt. Dieses Bild verkompliziert die einfache Kreislaufmetapher und erfordert eine differenzierte Betrachtung der Circular Economy.

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Was ist überhaupt ein Kreislauf?

Da diese neue Dimension die bisherige Vorstellung von Kreisläufen infrage stellt, widmen die Autoren dem Begriff selbst einen eigenen Abschnitt. Sie prüfen, welche Merkmale einen echten Kreislauf ausmachen und inwiefern dieses Bild in der ökonomischen Debatte möglicherweise in die Irre führt. Erst danach wenden sie sich im sechsten Teil den gängigen Modellen der Circular Economy und Bioökonomie zu und hinterfragen deren Übertragbarkeit auf die Realität.

Ideal und Wirklichkeit der Kreislaufwirtschaft

Besonders im letzten Hauptteil zeigt sich die Stärke des Buches. Die Autoren analysieren gängige Modelle der Circular Economy und Bioökonomie mit großer Präzision und kritischer Distanz. Am Beispiel der PET‑Flasche zeigen sie, warum idealisierte Kreislaufmodelle in der Praxis häufig nicht funktionieren. So werden beispielsweise Stoff- und Produktkreisläufe vermischt, um ein scheinbar perfektes System zu suggerieren. Doch bei genauerer Betrachtung bleiben Lücken bestehen. Rohstoffgewinnung, Umweltbelastungen und soziale Folgen bleiben in der Darstellung der Kreislaufwirtschaft oft unberücksichtigt.

Fazit: Eine notwendige Klärung des Kreislaufbegriffs

Marzi und Renner betonen in ihrem Fazit, dass die Analogie zwischen Natur und Wirtschaft nicht überstrapaziert werden darf. Bereits vor dreißig Jahren warnte Engelbert Schramm davor, technische Prozesse unkritisch als Abbild der Natur zu deuten. Vielmehr müsse anerkannt werden, dass diese Prozesse der Natur nachempfunden, aber nicht identisch sind.

Mit diesem Band legen die Autoren den Grundstein für ein künftiges Standardwerk. Besonders überzeugt ihre Bereitschaft, beim Grundbegriff des Kreislaufs anzusetzen und diesen sorgfältig zu durchdringen, bevor sie sich den praktischen Anwendungen zuwenden. So schaffen sie eine stabile Basis für das Verständnis der komplexen Materie.

Der Band ist auch ohne Kenntnis des ersten Teils verständlich. Er eröffnet die Vielschichtigkeit des Kreislaufbegriffs wie kaum ein anderes Werk. Für mich ist dies die ideale Fortsetzung des ersten Bandes, die große Erwartungen an den abschließenden dritten Teil weckt.

Foto: Fraunhofer UMSICHT 

Buchtipp

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Das Weltbild der Circular Economy und Bioökonomie

von Thomas Marzi und Manfred Renner

Springer Spektrum 

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Die Autoren

Dr. Thomas Marzi studierte Chemie an der Universität-GH-Duisburg und promovierte dort in Physikalischer Chemie. Er ist seit 30 Jahren beim Fraunhofer-Institut UMSICHT tätig. In den letzten Jahren untersuchte er multidisziplinäre Aspekte übergreifender Themen wie der Circular Economy und Bioökonomie. Er lehrt hierzu an der Ruhr-Universität Bochum (RUB).

Prof. Dr.-Ing. Manfred Renner ist promovierter Maschinenbauingenieur. Er leitet das Fraunhofer UMSICHT in Oberhausen und ist Inhaber des von ihm gegründeten Lehrstuhls „Responsible Process Engineering“ an der Fakultät für Maschinenbau der Ruhr-Universität Bochum(RUB).  Im Rahmen seiner Professur untersucht er seit 2022 die systemische Entwicklung der Circular Economy.