ZukunftsMacher Buchtipp:
Werte. Ein Kompass für die Zukunft von Maja Göpel
von ZukunftsMacher Helmut Scheel
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„Denn ein Populist wird immer der beste Zyniker sein. Langfristig werden wir die Anziehungskraft des Populismus nur überwinden, wenn wir wieder Beziehungen aufbauen, anstatt sie einzureißen“, zitiert Maja Göpel am Anfang des letzten Kapitels den ehemaligen US-General Stan McChrystal.
„Die Krise besteht gerade in der Tatsache, dass das Alte stirbt und das Neue nicht zu Welt kommen kann.“ Antonio Gramsci
„Das Ende der Nationen und die Entnationalisierung des Individuum werden einige liebgewonnene Begriffe entkräften, wie etwa den Grundsatz des gleichen Schutzes durch das Gesetz, der Machtverhältnisse voraussetzt, die bald überholt sein werden.“ Ress-Mogg, Davidson
Diese drei Zitate, die Maja Göpel, Professorin für Nachhaltigkeitstransformation am Ende ihres Buches aufgreift, fassen die Herausforderungen unserer Zeit treffend zusammen. Mit ihrem Werk, das trotz seiner 220 Seiten durch große Schrift und übersichtliches Layout schnell lesbar ist, möchte die Wissenschaftlerin einen „Kompass für die Zukunft“ bieten. Ihr Ansatz fußt auf Werten, die sich nicht mit der oft floskelhaften politischen Wertedebatte decken, sondern tiefgreifender verstanden werden.
Maja Göpel geht dabei wissenschaftlich fundiert und strukturiert vor. Sie beleuchtet Werte allgemein und betont besonders das Miteinander – ein Begriff, für den sie die Wortneuschöpfung „VerWirung“ prägt. Dass diese an „Verwirrung“ erinnert, ist kein Zufall: Viele Menschen empfinden heutzutage Orientierungslosigkeit. Göpel möchte dem eine bewusste „VerWirung“ entgegensetzen und lädt den Leser ein, sich auf diese Reise einzulassen.
Wohlstand neu gedacht
Wohlstand und dessen Erhalt sind zentrale Begriffe im politischen Diskurs. Die Politökonomin Maja Göpel geht auf deren Ursprung ein und fasst sie als „Gutes Leben“ zusammen, ein Konzept, das unter dem Begriff „Buen Vivir“ in Lateinamerika immer mehr Anhänger findet. Hier wie dort bezieht sich Wohlstand nicht allein auf materielle Werte, sondern auch auf das Wohl des Planeten. Warum dies notwendig ist, erklärt sie anschaulich: Fast die Hälfte des globalen BIP hängt von Ökosystemleistungen ab. Allein im Jahr 2019 stellten zehn europäische Ökosysteme direkte Nutzen im Wert von 234 Milliarden Euro bereit.
Kritik an den bestehenden Wirtschaftsmodellen
Auch das Thema Bürokratie betrachtet sie differenziert. Zahlen und Werte sind notwendig für Analysen, müssen aber kontinuierlich angepasst werden, um eine Überregulierung zu vermeiden. Besonders kritisch setzt sie sich mit der Rolle von Bilanzen auseinander. Sie argumentiert, dass das Bruttoinlandsprodukt als bevorzugter Wohlstandsindikator keine adäquate Messgröße sei. Es erfasst weder den Verbrauch von Naturressourcen noch negative Ereignisse wie Krankheiten oder Naturkatastrophen. Stattdessen fließen nur monetäre Transaktionen ein, sodass der Wiederaufbau nach Katastrophen oder die Umsätze von Krankenhäusern als positive wirtschaftliche Entwicklungen gewertet werden. Ebenso fehlen unbezahlte Tätigkeiten wie Care-Arbeit oder ehrenamtliches Engagement, die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt von unschätzbarem Wert sind.
Ein kritisches Werk mit Weitblick
Dieses flüssig zu lesende Buch ist wohl das bisher kritischste Werk Göpels zur Gesellschaft. Es ist politisch, und vermutlich würde kaum eine Partei bei ihr die Bestnote erhalten. Selbst ein „Befriedigend“ wäre wohl die höchste zu erwartende Bewertung. Sie scheut sich nicht, sich gegen US-Präsident Donald Trump und den politischen Mainstream zu stellen. Stattdessen bietet sie mit Werten des Miteinanders und dem Konzept der „VerWirung“ einen neuen, aber zugleich altbekannten Ansatz.
Ein kleiner Wermutstropfen bleibt: der häufige Gebrauch von Anglizismen. Manche sind sinnvoll, doch oft wären deutsche Begriffe ebenso treffend. Dennoch verdient dieses Buch eine breite Leserschaft. Es sollte als Impulsgeber in unserer Gesellschaft wirken und zur Reflexion anregen.
Buchtipp
Maja Göpel
Maja Göpel ist eine deutsche Politökonomin, Transformationsforscherin, Nachhaltigkeitsexpertin und Gesellschaftswissenschaftlerin mit Schwerpunkt auf transdisziplinärem Denken. Seit 2019 hat sie sich zunehmend auf Wissenschaftskommunikation spezialisiert.