Andreas Koch: Tourismus im Einklang mit der Natur

Sie sind seit 25 Jahren im Bereich nachhaltiger Tourismus unterwegs. In dieser Zeit haben Sie viele Stationen durchlaufen, angefangen bei der Gründung des Vereins Futouris bis zu Gründung Ihrer eigenen Firma blueContec und Sie haben spannende Projekte zum Beispiel auf Kreta umgesetzt. Welche Bilanz ziehen Sie nach 25 Jahren?

Andreas Koch: Ich bin zutiefst bewegt, was in den 25 Jahren alles passiert ist. Ich durfte unglaublich viel lernen und habe immer festgestellt, dass Nachhaltigkeit im Tourismus in all meinen Projekten ein Geschäfts- und Erfolgsmodell ist. Doch ich betrachte die Entwicklung auch selbstkritisch und bedauere, dass wir nur etwa fünf Prozent der Akteure bisher erreicht haben.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Sie für Nachhaltigkeit im Tourismus vergleichsweise wenige Akteure erreichen?

Andreas Koch: Nachhaltigkeit ist inzwischen in aller Munde. Oft ist es aber nur ein Lippenbekenntnis, weil wir immer noch von Zahlen und Gewinnen, Fakten und Daten dominiert werden. Im Tourismus wollen sich einige gerne das grüne Label anheften, weil immer mehr Kunden darauf Wert legen. Doch Nachhaltigkeit lässt sich nicht einfach verordnen. Aus meiner Erfahrung ist das Thema Nachhaltigkeit erfolgreich, wenn wir nicht vom Verstand daran gehen, sondern die Emotionen sprechen lassen und somit von innen überzeugt sind. Das spürt jeder, auch die Kunden. Wenn das „Warum“ klar ist und gelebt wird, folgen das „Was“ und „Wie“ automatisch.

Das heißt, Sie wünschen sich eine Transformation des Tourismus. Aber wie?

Andreas Koch: Heute verreist jeder, egal wohin, weil es nichts Besonderes mehr ist. Aber was erzählen die Menschen, wenn sie zurückkommen? Sie berichten von besonderen Erlebnissen vor Ort, von Menschen, die sie getroffen haben, von der Natur, die sie anders wahrgenommen haben. Die große Chance für Tourismusakteure liegt darin, aktiv ihr gesamtes Netzwerk und ihre Region mit einzubinden. Es geht um eine ganzheitliche Sicht, um die Gestaltung von Lebensräumen, denn Zukunft können wir nur gemeinsam gestalten. Dabei ist vor allem die aktive Einbindung aller Mitarbeitenden und Lieferanten von besonderer Bedeutung. Letztlich geht es also um Menschen, um Co-Kreation mit verschiedenen Akteuren, die sich für eine lebenswerte Zukunft einsetzen. Konkret meine ich damit Beziehungen und Gemeinschaft, denn das ist eines der grundlegenden Prinzipien des Lebens. Die Natur macht nichts anderes. Und wir sind das Produkt aus 3,8 Milliarden Jahren Evolution.

Sie haben gerade von der Natur gesprochen, zu der wir heute ein zwiespältiges Verhältnis haben, weil sie kommerzialisiert wurde. Wie kommen wir wieder zurück zur Natur?

Andreas Koch: Die Natur ist ein Lehrmeister, denn sie lehrt uns Verbundenheit, Kreativität oder Kooperation. Ein Beispiel: Wenn wir uns den Wald anschauen, ist das Ökosystem nur dann gesund und stabil, wenn die dort bestehenden Beziehungen untereinander gedeihen. In der Natur geht es niemals um Teile, sondern immer das Miteinander. Das ist in einer Organisation nicht anders. Wir müssen uns also fragen: Welche Beziehung haben sie zu ihren Mitarbeitenden, zu den Lieferanten, den Kunden und ihrem gesamten Netzwerk? Wenn die Beziehungen stimmen, läuft auch das Geschäft.

Ich wünschte mir, dass die Wirtschaft die Prinzipien der Natur wiederentdeckt und wir uns statt Konkurrenzdenken, Neid und Gier auf Beziehungen konzentrieren, auf ein Miteinander und auf das Gemeinwohl.

Haben Sie dazu ein weiteres Beispiel zur Natur aus Ihrem Vortrag?

Andreas Koch: Natur ist immer im Wandel und reaktionsfähig. Zum Beispiel sind Ameisen oder Bienen Meisterinnen der Selbstorganisation, weil jeder seine und ihre Rolle kennt. Mit einer klaren, inspirierenden Zukunftsvision erzeugen wir vergleichbare Effekte. Wir kommen zusammen und richten uns auf ein Ziel aus, welches im Idealfall etwas Höherem dient, als nur finanziellem Erfolg. Einen solchen höheren Sinn und Zweck als Unternehmen zu haben, hat übrigens – so zeigt es die Gesundheitsforschung – viel mit unserer Gesundheit zu tun. In einer Welt, in der Burnout- und Depressionsraten weiter steigen, macht das nicht nur unternehmerisch Sinn.

Sie planen eine Jubiläumstour mit Vorträgen und Workshops und thematisieren die sieben natürlichen Erfolgsfaktoren beinhalten. Was muss man sich darunter vorstellen? 

Andreas Koch: Nach 25 Jahren bin ich an einem Punkt, an dem ich wachrütteln will, um gemeinsam mit vielen Akteuren die nächsten Schritte für eine lebenswerte Zukunft einzuleiten. Instinktiv wissen wir, dass es so nicht weitergehen kann. Wir sind an einem entscheidenden Wendepunkt und können die Augen verschließen oder mutig vorangehen. In meinem Vortrag werde ich zunächst einen kleinen Rückblick auf den nachhaltigen Tourismus geben und berichten, was im Tourismus wirksam und erfolgreich ist. Ich betrachte den Status quo und spreche auch das Thema Gesundheit, den Fachkräftemangel oder auch die rechtlichen Rahmenbedingungen an.

Ich bin der Überzeugung, dass wir auf dem Thema Nachhaltigkeit aufbauen und nun den nächsten wichtigen Schritt Richtung Regeneration gehen sollten, denn Regeneration basiert auf den Grundprinzipien des Lebens. Von daher werde ich explizit auf die Erfolgsprinzipien des Lebens und der Natur eingehen und erklären, wie das Prinzip funktioniert und es auf die Wirtschaft übertragen. Außerdem werde ich konkrete Beispiele geben, wie es in der Wirtschaft gelingen kann.

Neben dem Vortrag gibt es einen interaktiven Workshop, in dem wir diese sieben Erfolgsfaktoren gemeinsam reflektieren. Zusätzlich setzte ich ein selbst entwickeltes Kartenspiel ein, damit die Teilnehmenden 25 Ideen zur sofortigen, erfolgreichen Umsetzung mitnehmen.

Was wollen Sie mit Ihrem Vortrag bewirken und was können die Zuhörer:innen mitnehmen?

Andreas Koch: Wir haben uns im Laufe der Jahrhunderte von den Ursprüngen des Menschseins entfernt und das macht sich vor allem in der Wirtschaft bemerkbar. Ich wünsche mir, dass wir uns wieder mit der Natur verbinden. Und ich wünsche mir, dass die Erfolgsprinzipien der Natur in die Wirtschaft einfließen und sie dadurch erfolgreicher und zukunftsfähiger wird. Mir geht es um die innere Haltung, und wenn wir die entwickeln, wird sich alles andere positiv ergeben.