„Neue Bauern braucht das Land«. Das aktuelle Buch von Dr. Ophelia Nick ist ein Plädoyer für gutes Essen aus einer gesunden Umwelt. Die Autorin, Politikerin und Expertin für Tierverhalten steht für eine lebendige und nachhaltige Landwirtschaft. Sie fordert Landwirte auf, pestizidfreie Lebensmittel zu produzieren, ihren Tieren ein würdiges Dasein ermöglichen und als Klima- und Artenschützer eine bunte, artenreiche Agrarlandschaft gestalten.
Ein Interview von Elita Wiegand mit Dr. Ophelia Nick.
„Neue Bauern braucht das Land“, heißt Ihr aktuelles Buches. Da nicken wahrscheinlich viele und haben das romantische Bild eines Bauernhofes vor Augen. Doch was genau meinen Sie, wenn Sie von neuen Bauern sprechen?
Ophelia Nick: Mir geht es darum, dass wir neu denken, die Bauern und die Verbraucher. Derzeit wächst in der Gesellschaft das Bewusstsein, dass wir unsere Ressourcen ausbeuten, der Verlust der Biodiversität ist bedrohlich und wir sind zu unserer Erde klimatisch nicht gut. Und: Die Landwirtschaft steht immer auch in Verbindung zu unserer Ernährung. Ernährungsbedingte Krankheiten nehmen rapide zu. Ich zeige in meinem Buch auf, wie wir auf eine klimaschonende Art wirtschaften, konsumieren und uns gesund ernähren.
Das klingt vielversprechend. Doch wo setzen wir in der Landwirtschaft an?
Ophelia Nick: Wir haben uns doch auf ein gesamtgesellschaftliches Ziel geeinigt, das zeigen die Umfragen. Feststeht: Wir wollen Höfe erhalten, wir wünschen uns eine vielfältige Landwirtschaft und wir legen Wert auf gesunde Lebensmittel. Bisher haben die Landwirte über Masse ihr Einkommen generiert, wir müssen aber auf Qualität umschwenken. Um das zu erreichen, gilt es die politischen Rahmenbedingungen zu ändern – auch für den Mittelstand oder für kleine Handwerksbetriebe, wie zum Beispiel Bäckereien oder Metzgereien. Wenn wir Qualität wollen, müssen wir diesen Faktor über die EU und den Handel unterstützen. Erst dann wird sich die Nahrungserzeugung weg von der Masse und dem billig, billig in Richtung guter Lebensmittel entwickeln.
Viele Landwirte fühlen sich dem Preiskampf, der Bürokratie und dem Konkurrenzdruck nicht mehr gewachsen. 1920 gab es 600.000 Bauernhöfe, heute sind es gerade noch 260.000 der Trend geht gegen 100.000. Wie beenden wir die Negativ-Spirale?
Ophelia Nick: Die Verbände tragen einen großen Teil der Verantwortung, sie haben die Landwirte zu immer billigeren Nahrungsmitteln getrieben und sich bzw. ihren Mitgliedern damit selbst geschadet. Hinzu kommt die Abhängigkeit zu den Agrarkonzernen, bei denen die Landwirte das Saatgut, Pflanzenschutzmitteln oder Dünger kaufen. Die Unternehmen versprechen hohe Ertragssteigerungen – aber die sind sehr teuer erkauft. Die Frage, ob sich das alles rechnet, stellen sich zu Recht gerade viele Landwirte.
Wenn man sich anschaut, was billig weltweit bedeutet, stoßen wir zudem auf soziale Ungerechtigkeiten bis hin zur mafiösen Ausbeutung. Da gibt es in den großen Plantagen in Italien oder Spanien Strukturen, die haarsträubend sind. Arbeiter werden wie Sklaven behandelt, mit Billiglöhnen abgespeist und sie arbeiten unter gesundheitsschädlichen Bedingungen. Billige Lebensmittel sind in jeder Beziehung unsozial: Nicht nur die Tiere und die Natur leiden, sondern die menschliche Ausbeutung ist gravierend und nicht mehr in Worte zu fassen. Viele Verbraucher indes würden mehr für Lebensmittel bezahlen. Studien sagen, dass sie bereit sind, zehn, zwanzig bis zu dreißig Prozent mehr für das Produkt zu zahlen, wenn sie sich einen Mehrwert erhoffen.
Doch viele Konsumenten wissen gar nicht, wo ihre Lebensmittel herkommen, wie sie produziert werden und sie haben sich von der Natur entfernt. Wie wächst das gegenseitige Verständnis zwischen den Landwirten und den Verbrauchern?
Ophelia Nick: Tatsächlich ist es so, dass wir uns innerhalb von zwei Generationen von der Landwirtschaft entfremdet haben. Heute muss das Verständnis der Landwirtschaft wieder stärker in das Bewusstsein rücken. Der Verbraucher muss besser informiert werden. Die Agarlobbyisten wollen keine Kennzeichnungen und so sind viele Lebensmittel für uns nicht mehr transparent. Kinder und Jugendliche müssen zudem mehr über die Grundlagen des Lebens erfahren. Die Ernährung muss in die Bildung einfließen und in den Alltag, in die Gemeinschaftsverpflegung. Ich beschreibe in meinem Buch, dass inzwischen 50 Prozent der Kinder im Alter von drei bis neun Jahren in Kindergärten oder Schulen versorgt werden, aber die Ernährung lässt dort zu wünschen übrig.
Und was bemängeln Sie an der Gemeinschaftsverpflegung?
Ophelia Nick: Bei uns wird in vielen Kindergärten und Schulen das Essen über längere Wege transportiert, wird aufgewärmt und die Nährstoffe gehen verloren. Die Frische bleibt auf der Strecke und über die Transportwege muss man gar nicht erst reden. Wie es anders geht, zeigt Kopenhagen. In nur zehn Jahren hat dort die Stadt die 900 Kindergärten und Schulen, Kantinen und Mensen auf nahezu 90 Prozent regional, saisonal und Bio umgestellt – ohne Zusatzkosten. Das ehrgeizige Vorhaben erforderte allerdings eine neue Art des Wirtschaftens für die Küchen zu entwickeln, das Küchenpersonal zu überzeugen und ihnen die richtigen Fähigkeiten an die Hand zu geben. In Berlin macht man sich auf den Weg das Kopenhagener Modell zu übertragen, aber insgesamt hinken wir hinterher.
Wir hinken auch hinterher, wenn wir uns die politischen Rahmenbedingungen anschauen. Die Flickschusterei verschlimmern die Probleme, aber wo ist der Ausweg?
Ophelia Nick: Ich plädiere für einen ganzheitlichen Ansatz, der ein Prozess in Gang setzt. Das Stückwerk der letzten Jahre hat bewirkt, dass sich die Landwirte hilflos ausgeliefert fühlen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht noch viele weitere Höfe in den Ruin treiben.
Wenn die Politik fordert, dass der Ringelschwanz bei Schweinen dranbleiben muss, bringt das überhaupt nichts, wenn man die Haltungsbedingungen nicht ändert. Die Politik muss erst mal Modellställe unterstützen. Wenn man danach weiß, wie man Hühnerställe oder Schweineställe baut, kann die Politik die Rahmenbedingungen schaffen. Derzeit ist der Etat auf acht Milliarden begrenzt. Wenn wir aber über eine Agrarwende reden, müssen wir die Agrarsubventionen umlenken und zusätzlich Geld in die Hand nehmen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Landwirtschaft?
Ophelia Nick: Viele glauben, dass wir über die Gentechnik und die Digitalisierung die Produktion erhöhen. Das ist für mich ein eindimensionales Denken. Natur funktioniert in dem Zusammenspiel vieler Arten. Mein Traum ist, dass der Öko-Landbau einen großen Sprung nach vorne macht und mit hohen Qualitätsansprüchen auch produktiver wird. So werden neue Maßstäbe gesetzt, von der auch die konventionelle Landwirtschaft und unsere Artenvielfalt profitiert.
Kontakt
Dr. Ophelia Nick
Richrather Straße 34
40723 Hilden
Fon: 02058 7829894
Web: https://ophelia-nick.de
Mail: info@ophelia-nick.de
Dazu der Buchtipp
Neue Bauern braucht das Land
Ein Plädoyer für gute Lebensmittel aus einer gesunden Umwelt
von Dr. Ophelia Nick
Erschienen im oekom Verlag
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