Gesellschaft, Ernährung und Wirtschaft in 2050: Sinnorientiert – verantwortungsbewusst – selbstorganisiert – regional

von ZukunftsMacherin Hanna Perrin 

Unsere Gesellschaft im Jahr 2050

Wir verfolgen einen gemeinsamen Sinn, und zwar: allen Menschen ein gutes Leben innerhalb der Grenzen unserer Erde zu ermöglichen. Dabei versteht sich jede/r Einzelne als Teil des globalen Ökosystems, mit dem wir in Einklang leben, um gesund zu leben. Wir haben verinnerlicht, dass wir unsere Herausforderungen nur gemeinsam lösen können. Unsere Aufgabe sehen wir darin, die gesellschaftlichen Institutionen und unsere Erde für kurze Zeit verantwortungsbewusst zu führen, und danach in einem besseren Zustand an die nächste Generation zu übergeben. Heißt konkret: Wir geben mehr zurück als wir genommen haben. Dieser Leitgedanke hilft uns dabei, Eigenverantwortung zu übernehmen, unser Ego mehr nach hinten zu stellen, anderen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, uns für Ideen und Experimente zu öffnen und mehr Sinn in Gemeinschaft zu erkennen – sei es in der Familie, in unserer Nachbarschaft, in unseren Unternehmen oder in unserer Gesellschaft. Dabei geht es uns um größtmögliche persönliche Freiheit zur Selbstverwirklichung, ohne auf Kosten anderer zu leben – also um eine gesunde Balance. Denn wir haben erkannt, dass unser gutes Leben von Balance abhängt, z.B. von einer gleichmäßigeren Verteilung von Besitz und Einkommen, von work as part of life, von gesunden Ökosystemen. Die große Transformation der 20er und 30er Jahre mit ihren massiven ökologischen, technologischen, ökonomischen, institutionellen und kulturellen Umbrüchen war schmerzhaft und hat uns viel abverlangt – aber wir haben sie gemeistert! Wir schmunzeln manchmal darüber, dass es Anfang der 20er Jahren noch Billionäre und Steueroasen gab und die Prämissen weiter, höher, schneller und mehr Wachstum galten.

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Foto: Unsplash Nagy Arnold

Unsere Lebensmittelbranche im Jahr 2050

Auch die Akteure der Lebensmittelbranche verfolgen inzwischen einen gemeinsamen Sinn – und zwar:  allen Menschen eine gesunde, nachhaltige und bezahlbare Ernährungsweise zu ermöglichen – frei von Ideologien und basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Selbstorganisierte Akteure aus Zivilgesellschaft, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft tauschen Ideen und Wissen aus und entwickeln gemeinsam Lösungen, die verantwortungsbewusst getestet werden. Den gesunden Rahmen schafft eine Politik, die sich an Wohlstandsindikatoren und wissenschaftlich erarbeiteten Grenzwerten sowie regenerativen Haltungs- und Anbaubedingungen orientiert. Frei verfügbare Informationen und Daten über unseren ökologischen Fußabdruck helfen uns dabei, bewusste Konsum- und Produktions-Entscheidungen zu treffen.

Die Empfehlungen der Planetary Health Diet für eine pflanzenbasierte Ernährung mit einem kleinen, qualitativ-hochwertigen Anteil an tierischen Produkten ist jeder/m Einzelnen bekannt.

Sie dient als Grundlage für die Vermittlung von spielerischen, lebensnahen Wissensangeboten für alle Altersgruppen. Verbraucher können Lebensmittel beim Einkauf und Menus in Kantinen und Restaurants anhand des Nutritional Footprint, welcher gesundheitliche und ökologische Aspekte berücksichtigt, vergleichen. Mit Hilfe digitaler Technologien gestalten Verbraucher ihre Ernährung individuell und verantwortungsbewusst, unter Berücksichtigung ihres persönlichen ökologischen Fußabdrucks. Die dadurch resultierenden positiven Effekte auf die Gesundheit der Bürger sowie die Entlastung unseres Gesundheitssystems sind enorm. Die globale Produktion hat sich mittlerweile so umgestellt, dass die Lebensmittel basierend auf den Empfehlungen der Planetary Health Diet auf dem Teller landen können. Denn im Vergleich zu den 20er Jahren wird 50-75 Prozent mehr Obst und Gemüse und 60 Prozent weniger Fleisch produziert.

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Quelle: Eat Forum The Planetary Health Diet and You – EAT (eatforum.org)

Unser Ernährungssystem ist schockresistent, dank einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft, regionalen Wertschöpfungsketten und einem hohen Anteil an Selbstversorgung in der Bevölkerung

Die Mehrzahl der Landwirtschaftsbetriebe hat auf regenerative Landwirtschaft umgestellt, unterstützt durch Precision Farming sowie staatlichen und privaten Fördermitteln, zum Beispiel aus Bürgeraktiengesellschaften. Dadurch wird CO2 langfristig in der Erde gespeichert und die Bevölkerung mit nährstoffreichen, pestizidfreien Bio-Lebensmitteln versorgt. Ein Großteil des Landes im Besitz der öffentlichen Hand wird von Kleinbauern, Vereinen oder Gemeinschaftsgärten gepachtet, die sich zu einem Anbau nach ökologischen, nachhaltigen Kriterien verpflichten. Die Revitalisierung des ländlichen Raumes wurde unter anderem durch die Bewegung der solidarischen Landwirtschaft in den 20ern ermöglicht und hat auch jüngeren Generationen stabile Arbeitsplätze und Einkommensperspektiven verschafft. Regionale Verarbeitungszentren, zum Beispiel in stillgelegten Braunkohlewerken, ermöglichen eine effiziente Verarbeitung und Logistik von Lebensmitteln.

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Foto: Alexandr Podvalny, Unplash

Das Angebot auf dem Markt besteht hauptsächlich aus gesunden, bezahlbaren und regionalen Lebensmitteln – unter anderem aus alternativen Proteinquellen (zum Beispiel aus der heimischen Süßlupine, Hülsenfrüchten oder Insekten), aus verwertetem Abfall (z.B. Suppen aus unverkauftem Gemüse, Bier aus altem Brot) oder auf Basis von technologischen Innovationen (zum Beispiel in-vitro/zellbasiertes Fleisch, Functional Food aus Essensdruckern, essbares Papier angereichert mit Vitaminen und Mineralstoffen). Regional produzierte Lebensmittel werden auf Wochenmärkten, direkt von Vertical-/Indoor-Farmen oder über gelieferte Ökokisten vom Landwirt in der Nähe verkauft. Supermärkte zeichnen sich durch ein vielfältiges Angebot an regionalen und saisonalen Lebensmitteln aus, die in der Regel günstiger sind als importierte Lebensmittel. Denn Preise spiegeln zusätzlich zu Transportkosten auch alle Umweltbelastungen in der Produktions- und Lieferkette wider. Die Verwertung von Abfällen und Resten wird finanziell gefördert. Der Überschuss an Lebensmitteln wird in gut vernetzten Gemeinden an bedürftigere Menschen verteilt.

Unsere Quartiere und Innenstädte sind grün und wild

Verbraucher versorgen sich zunehmend selbst, dank frei-zugänglicher Anlagen mit essbaren Wildpflanzen (Nüsse, Beeren, Kräuter und Pflanzen wie Brennnesseln oder Löwenzahn) und dem Anbau von eigenem Obst und Gemüse zu Hause, in Gemeinschaftsgärten oder in – dank der Mobilitätswende umgenutzten – Parkhäusern und -plätzen. Viele Bürger sind heute Prosumenten, d.h. Produzenten und Konsumenten zugleich, und organisieren sich in engen sozialen Netzwerken. Die daraus entstandene Nähe untereinander schafft Vertrauen und stärkt Beziehungen und Unabhängigkeit.

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Foto: Marcellin Bric, Unplash

Unsere Wirtschaft im Jahr 2050

Die meisten Unternehmen reinvestieren ihre Gewinne in den Unternehmenssinn oder in gemeinnützige Zwecke und verwirklichen somit unsere Purpose Economy. Unternehmen, die sich selbst gehören und Profit als Mittel zum Zweck zur Verwirklichung Ihres Existenzgrunds sehen, haben enorme Freiheiten in der Ausgestaltung ihrer Mission und im Experimentieren mit neuen, regenerativen Geschäftsmodellen. Die Mitarbeiter dieser Unternehmen organisieren sich oft selbst, basierend auf akzeptierten Regeln und Prozessen, und bringen ihre persönlichen Talente und Ideen ein. Leaders verstehen sich als Visionäre und Mentoren. Das Miteinander basiert auf Vertrauen, Respekt und Wertschätzung sowie Mut zu Offenheit und Fehlern. Die daraus resultierende Motivation und Experimentierfreude der Mitarbeiter führt zu langfristigem Erfolg und Resilienz dieser Unternehmen.

Unsere heutige Lebensweise bedeutet, dass wir gesundheitliche und ökologische Aspekte bei unserem (Ess-)Verhalten berücksichtigen. Gleichzeitig verlangt dies für viele Menschen mehr Zeit als noch vor 30 Jahren, zum Beispiel für die Selbstversorgung, fürs Kochen, fürs Geben und Nehmen in unserer Sharing Economy. Unser Mindset geprägt von Suffizienz – der Reduktion auf das Wesentliche, also auf ein gutes Leben – hat größtenteils zu bewusstem Konsum geführt. Maßnahmen wie ein Grundeinkommen (geknüpft an gemeinnützige Tätigkeiten und Bedürftigkeit) und die 20-30-Stunden-Arbeitswoche ermöglichen es uns, unseren Zeitwohlstand zu genießen, uns selbst zu verwirklichen und uns um uns selbst, unsere Mitmenschen und unseren Planeten zu kümmern…