„Männer, die die Welt verbrennen | Der entscheidende Kampf um die Zukunft der Menschheit“
von ZukunftsMacher Helmut Scheel
Prof. Dr. Christian Stöcker beginnt sein Buch mit einer ungewöhnlichen Warnung: „Für Leserinnen und Leser, die sich mit der Klimakrise und ihren Ursachen noch nicht allzu intensiv befasst haben, klingen Teile dieses Buches womöglich wie frei erfundene Verschwörungstheorien.“ Und tatsächlich: Was auf den folgenden Seiten dargelegt wird, klingt streckenweise unglaublich, ist aber durch über 650 sorgfältig dokumentierte Quellen belegt.
Die im Juni dieses Jahres erschienene aktualisierte Taschenbuchausgabe basiert auf dem im Vorjahr erschienenen Bestseller. Zwar ist die Überarbeitung nicht durchgehend gelungen, doch der inhaltliche Wert des Buches überwiegt diese Schwächen deutlich. Die Zusammenhänge, die Stöcker offenlegt, sind ebenso faszinierend wie erschreckend.
Neue Schärfe
Wer sich bereits mit der Klimakrise beschäftigt hat, wird vieles wiedererkennen, jedoch in einer neuen Schärfe. Das Buch wirkt wie ein vertrautes Gericht mit neuen, schärferen Gewürzen: Die globale „Allianz der Verbrenner”, wie Stöcker sie nennt, wird in ihrer ganzen strukturellen Tiefe sichtbar. Damit sind nicht nur jene gemeint, die fossile Energien fördern und verbrennen, sondern auch jene Industrien, die von fossilen Energien abhängig sind wie Junkies.
Ein System aus politischen Netzwerken, wirtschaftlichen Abhängigkeiten und gezielter Desinformation
Und genau darin liegt das Problem: Es geht nicht nur um die direkten Emissionen, sondern um ein ganzes System aus politischen Netzwerken, wirtschaftlichen Abhängigkeiten und gezielter Desinformation. Milliardenbeträge fließen in Gegenstudien, Propaganda und täuschende Werbekampagnen. Laut Stöcker ist klar, wer dahintersteckt: Männer. Er greift dabei auf den von der Politikwissenschaftlerin Cara Daggett geprägten Begriff der „Petro Maskulinität“ zurück. Es ist eine toxische Mischung aus Macht, Männlichkeit und fossilem Denken.
Manipulation der öffentlichen Meinung
Namen wie Rupert Murdoch oder die Gebrüder Koch stehen exemplarisch für diese destruktive Allianz, aber auch Mohammed bin Salman, Wladimir Putin, Donald Trump oder Mathias Döpfner. Die Medien spielen eine zentrale Rolle dabei, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu verzerren und die öffentliche Meinung zu manipulieren, und das aus rein wirtschaftlichem Eigeninteresse. Denn wer gibt in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft schon freiwillig eine lukrative Einnahmequelle auf?
Netzwerke der „Verbrenner“
Stöcker beschränkt sich nicht auf die globale Perspektive. Auch in Deutschland reichen die Netzwerke der „Verbrenner” tief in politische Strukturen hinein. Vor allem die FDP, die CDU und die AfD werden genannt, in deren Umfeld diese Verbindungen besonders wirksam sind. Das erklärt auch, warum die Umstellung auf erneuerbare Energien immer wieder behindert wird. Stöcker liefert eine schlüssige Erklärung für das zögerliche Vorankommen Deutschlands in der Energie- und Klimapolitik. Überall wird gebremst und blockiert, sobald sich die geringste Möglichkeit dazu bietet. Und aus meiner Sicht muss die Aufrechterhaltung und Ertüchtigung des deutschen Gasnetzes für Wasserstoff genau in diesem Kontext betrachtet werden. Diese Investitionen erlauben es, noch viele Jahre und Jahrzehnte lang fossiles Erdgas zu nutzen. Eventuell ist dies jedoch nur ein Trick, um weitere Geschäfte mit der Erwärmung des Planeten zu machen.
Plädoyer für Hoffnung
Im letzten Kapitel schlägt Stöcker jedoch einen versöhnlichen Ton an: „Das Zeitalter des Lichts hat begonnen, das des Feuers muss enden.“ Es ist ein Plädoyer für Hoffnung, Wandel und eine lebensfreundliche Zukunft. Ein optimistischer Ausblick inmitten einer düsteren Analyse.
Mit rund 350 Seiten ist das Buch ein intensives, investigatives Werk, das die globalen Macht- und Energieverhältnisse entlarvt. Es zeigt, wie sehr unsere Gesellschaft am Tropf fossiler Energie hängt – und dass wir alle Teil dieses Systems sind. Wer einmal erlebt hat, wie Menschen reagieren, wenn für nur 30 Minuten der Strom ausfällt, versteht, wie tief unsere Abhängigkeit reicht.
Über
Christian Stöcker, geboren 1973 in Würzburg, hat 2003 in Würzburg im Fach Kognitive Psychologie promoviert.
2016 wurde er als Professor für Digitale Kommunikation an die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg berufen, wo er u.a. die Fragen der Wechselwirkung von digitaler Medientechnologie, Journalismus und Öffentlichkeit untersucht.
Ab 2005 war er bei Spiegel Online in den Ressorts „Wissenschaft und Netzwelt“ tätig, von 2011 bis 2016 leitete er dort das Ressort Netzwelt, heute hat er bei Spiegel Online weiterhin eine wöchentliche Kolumne.
Buchtipp
Männer, die die Welt verbrennen | Der entscheidende Kampf um die Zukunft der Menschheit
Christian Stöcker
Ullstein Verlag
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