Schule macht Zukunft
von ZukunftsMacher Alexander Böhle
In unserer Zukunftsschule gibt es keinen Stundenplan mehr, es gibt nur noch ein breit gefächertes Spektrum an Teamprojekten, denen sich die SchülerInnen Viertel- bis halbjährig neu zuteilen können. Vor sieben Jahren hatte man damit begonnen, inspiriert durch die Initiative Schule im Aufbruch einen „Freiday for Future“ einzuführen.
Projekte initiieren
Während von Montag bis Donnerstag damals noch der normale Stundenplan den Alltag bestimmte, wurden für den Freitag probehalber Projekte initiiert und Kooperationen mit Experten und Institutionen von außerhalb gesucht. Man wollte den Grundstein für eine „kommunale Intelligenz“ legen, in der weitreichende Praxiserfahrungen vor allem im sozialen und ökologischen Bereich außerhalb der Schule im regionalen Umfeld in den Vordergrund gestellt werden sollten. Entsprechende Praxisprojekte sollten sich generell im Rahmen der von den Vereinten Nationen im Jahr 2015 herausgegebenen 17 „Global Goals“ bewegen. Und so kam es, dass zunächst einige wenige Lehrkräfte diesen Weg gemeinsam einschlugen und von der Schulleitung nicht zurückgepfiffen, sondern unterstützt wurden. Es waren Lehrkräfte, die mit ihren Projekten auch ihren eigenen Leidenschaften nachgehen wollten.
In mir muss brennen, was ich in anderen entzünden will
So richtete ein Kollege exemplarisch eine Reparaturwerkstatt ein. Er fing an, gemeinsam mit den SchülerInnen Möbel und Elektronikgeräte zu reparieren. Sein Heiligtum wurde allerdings ein alter verrosteter Trecker aus dem Jahr 1959, den er in einer nahegelegenen Garage mit fünf begeisterten SchülerInnen über ein Jahr lang aufbereitete. In der Folge begannen zwei Schüler nach dem Abschluss eine Ausbildung zum Landmaschinen Mechatroniker. „In mir muss brennen, was ich in anderen entzünden will“ , entgegnete der Lehrer seinen Kolleginnen und Kollegen damals, um die letzten Zweifler von der neuen Projektorientierung an der Schule zu überzeugen. Er betonte, wie wichtig dabei die Menschenliebe und ein fast schon familiäres Verhältnis untereinander für seinen Beruf seien. Zudem wusste er auch um die Notwendigkeit von Begeisterung und Leidenschaft für die eigene Potentialentfaltung, die schon vor langer Zeit durch Hirnforscher wie Prof. Dr. Gerald Hüther und Prof. Manfred Spitzer für die Schulentwicklung eingefordert wurden. Viel zu oft hatte dieser Lehrer in seinen 13 bisherigen Berufsjahren frustriert seinen Dienst nach Vorschrift in den Klassenräumen durchziehen müssen und immer mehr daran gezweifelt, ob er wirklich weiterhin in der Schule tätig sein möchte.
Der Wandel ist in der Schule eingezogen
Diese Zweifel waren nun vorbei. Sein Glück und die Zufriedenheit, die er nun empfand, strahlten auf seine komplette Arbeitsmotivation ab! Er profitierte von dem Vertrauen, das ihm die Schulleitung damals entgegengebracht hatte. Eine Schulleitung, die darum wusste, dass eine Schulkultur der gelebten Wertschätzung, Respekt und einem würdevollen Umgang mit Lehrenden wie Lernenden der Grundstein für alles sein musste. Das Schulleitungsteam bildet sich im Bereich der eigenen Führungskompetenzen seit Jahren stets selbst weiter fort und lässt sich dabei unter anderem auch von den besten Arbeitgebern aus der Wirtschaft und deren Führungskräften und -qualitäten inspirieren. In der Folge wurden unter anderem die wichtigsten Werte von allen am Schulleben Beteiligten in einem gemeinsamen Leitbild verankert und mit zahlreichen Methoden und Aktionen mehr und mehr auch gelebt. Im Ergebnis erwuchs daraus der Mut des Lehrerkollegiums, gemeinsam Neues zu wagen. Er schwappte einfach über und wirkte sich immer positiver sowohl auf die Zufriedenheit als auch auf die Krankentage im gesamten Kollegium aus. Zudem hatte die Schule plötzlich mehr BewerberInnen auf offene Lehrerstellen, da sich der Wandel rumsprach. Doch einer der wichtigsten Entwicklungen war: Die anfängliche Skepsis mancher Eltern ging zunehmend in großen Zuspruch über, da ihre Jüngsten viel öfter begeistert nach Haus kamen und an echten Praxissituationen wachsen und Erfahrungen fürs Leben sammeln konnten, wodurch viele auch mehr über ihre eigenen Stärken und Schwächen erfuhren.
Zeugnisnoten ade!
Mit dafür verantwortlich war auch, dass die Schule im Rahmen ihres Wandels auch die immer weniger repräsentativen Zeugnisnoten abgeschafft hatte. Sie wurden zum einen ersetzt durch regelmäßige Feedbackgespräche, in denen die Selbst- und die Fremdeinschätzung zwischen Lehrkraft und SchülerIn offen kommuniziert und konzeptionell verschriftlicht werden. Außerdem wurden alle Lehrkräfte und SchülerInnen dazu aufgefordert, sich regelmäßig -rein positiv- Gedanken über die Stärken, Talente und positiven Eigenschaften der MitschülerInnen zu machen. Diese teilt man sich nun regelmäßig am Ende des Schuljahres digital über eine WordCloud gegenseitig mit. Als „Stärkenbild“ bekommt es jede/r Einzelne dann am letzten Schultag gemeinsam mit dem Zeugnis überreicht, um zu signalisieren, dass jede/n Einzelne von ihnen wichtig und wertvoll ist.
Träume erlebbar machen
Durch diese Erfahrungsberichte erlaubte das Schulministerium zwei Jahre später übrigens einen zweiten wöchentlichen Projekttag. Unter der Prämisse, dass möglichst vielfältige Projektinhalte in den unterschiedlichsten Fachbereichen angeboten werden sollten. In den kommenden Jahren gab es nun Lehrkräfte, die beispielweise mit einem Schülerteam ein Musikvideo mit an Krebs erkrankten Kindern eines nahegelegenen Krankenhauses drehten. Dieses Krankenhaus ist nun offizieller Kooperationspartner der Schule! Einige der größten Medienanstalten Deutschlands berichteten über das Projekt. Der für den Dreh und den Schnitt zuständige Schüler hat nun als Fotograf und Filmemacher den Weg in die Selbstständigkeit gewagt und weitere AkteurInnen, die im Video zu sehen waren, gaben an, sich später einmal selbst für an Krebs erkrankte Kinder engagieren zu wollen.
Ein letztes Beispiel von vielen: Ein Physiklehrer konzeptionierte mit einigen Lernenden ein neues Elektrofahrzeug (!), das Solarmodule im Lack integriert hat und sich somit eigenständig aufladen kann! Über Crowdfunding sammelten sie über 50 Millionen Euro ein, haben sich nach der Schule mit der Idee selbstständig gemacht und ein eigenes Conceptcar entworfen…
Und nun? Glauben Sie, das sind doch alles Träumereien?? Ich möchte Sie gerne aus diesem Traum aufwecken. All die genannten Projekte haben tatsächlich bereits stattgefunden! Und auch die Lehrkräfte mit samt ihrer Zitate und der Werdegang der genannten SchülerInnen entsprechen der Realität. Sie haben lediglich nicht gebündelt an einer Schule stattgefunden.
Sollten Sie nach dieser Vision Lust auf mehr bekommen haben, so kann ich Ihnen gerne darüber erzählen! Denn ich bin selbst einer der Lehrer aus dieser Zukunftsvision und liebe seitdem den Lehrerberuf!