Buchtipp
Streitfrage Wachstum 

Katja Gentinetta und Nico Paech 

von ZukunftsMacher Helmut Scheel

Wachstum ist mittlerweile ein Politikum jenseits der Wirtschaft. Der Westend-Verlag widmet diesem Thema ein Buch in seiner Reihe „Streitfrage“.

Die Prowachstumsseite vertritt Dr. phil. Katja Gentinetta. Sie ist unter anderem Universitätsdozentin in Luzern im Lehrgang „Philosophy Politics Economics“ und Aufsichtsrätin zweier mittelständischen Unternehmen. Ihr Widerpart ist Prof. Dr. Niko Paech, Volkswirt und habilitiert an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Er hatte acht Jahre den Lehrstuhl für Produktion und Umwelt inne und lehrt derzeit „Plurale Ökonomie“ in Siegen. Paech hat den Begriff der „Postwachstumsökonomie“ in Deutschland geprägt.

Zwei Positionen zum Wachstum

Für ihre Positionen sind für beide Vertreter rund 40 Seiten reserviert; nicht viel für die umfangreiche Thematik. Doch daraus ergibt sich eine pointierte Zuspitzung, die es jedoch nicht erlaubt, größer in die Tiefe des eigenen Standpunktes vorzudringen. Man könnte sagen: In der Kürze liegt die Würze und das trifft auf die Streitfrage zum Wachstum zu. Wer sich auf den Punkt über die konträren Standpunkte von Wachstum informieren möchte, dem empfehle ich dieses Werk.  Ebenso jenen, die sich komprimiert mit den Ansätzen beider ökonomischer Richtungen befassen wollen.

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Dr. phil. Katja Gentinetta

Alles ist begrenzt, nur nicht der menschliche Geist

Katja Gentinetta vertritt in ihrer Buchhälfte klar die Position einer Befürworterin des Wachstums. Ihr Credo lautet: „Alles ist begrenzt, nur nicht der menschliche Geist.“ Daraus folgert sie, dass die geistigen Fähigkeiten des Menschen immer wieder neue Erfindungen hervorbrächten, die eine Lösung für bestehende Herausforderungen liefern. Den Bericht des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“ widerlegt sie.  Ihre Position dazu: Hätte man sich zu 100 Prozent darangehalten, wäre die Welt heute ärmer – und unmenschlicher. Vielmehr ist sie davon überzeugt, dass die Herausforderungen, die der Club of Rome beschreibt, die menschliche Kreativität und den Einfallsreichtum geweckt hätten. Schließlich wurden neue Lagerstätten von Rohstoffen gefunden und neue Techniken zu deren Gewinnung entwickelt. Sie sieht als Ziel des Wachstums in einer höheren Lebenszufriedenheit und weltweit weniger Armut.  All dies sei nur mit Wirtschaftswachstum möglich. Allerdings räumt sie ein, dass die produzierten Abfälle reduziert werden müssten, es zu einem „Grünen Wachstum“ kommen müsste und hierfür „Cradle to Cradle“ geeignet sei, so wie es Michael Braungart propagiert. 

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Prof. Dr. Niko Paech

Suffizienz, Subsistenz und Regionalökonomie für eine bessere Zukunft

Niko Paechs Position ist eine konträr andere. Das bisherige Wirtschaftswachstum habe die Ungleichheit unter den Menschen erhöht. Wir leben einen Wirtschaftskolonialismus und beuten die Erde und die Menschen aus. In einer begrenzten Welt kann es kein unbegrenztes Wachstum geben. Vielmehr führten alle Neuerungen technischer Art durch den Rebound-Effekt zu einem höheren Verbrauch. Die energetische Sanierung habe in zehn Jahren etwa 500 Milliarden Euro in Deutschland gekostet und damit nach offiziellen Zahlen eine Energiereduzierung von 26 Prozent bewirkt, jedoch, so führt Paech weiter aus, hätten wärmere Winter und die Zunahme an Wohnfläche pro Person nur zu einer effektiven Reduzierung vom Energieverbrauch im Wohnungssektor von ca. 2,5 Prozent geführt. Eine halbe Billion Euro für eine Reduzierung von 2,5 Prozent hält Paech für zu hoch und übertrieben.  Vielmehr können nur drei Maßnahmen zu einer besseren Zukunft beitragen: Suffizienz, Subsistenz und Regionalökonomie.

Kurzweiliges Lesevergnügen

Ich konnte beiden Seiten einiges abgewinnen und hatte ein kurzweiliges und ansprechendes Lesevergnügen. Beide Vertreter lassen jedoch wichtige Sichtweisen außen vor. Dies ist die Rolle der Psychologie und Gewohnheit. An dieser Stelle hat Paech mit seiner Postwachstumsökonomie einen klaren Nachteil. Er will unser Wirtschaftsmodell grundlegend verändern. Menschen sind aber Gewohnheitstiere, die sich ungern etwas wegnehmen lassen. Dagegen kämpfen sie mit Zähnen und Klauen. Hingegen verdrängt Gentinetta die Notwendigkeit einer Reduzierung an Konsumgütern in den Industrieländern, um einen globalen Ausgleich an Wohlstand herbeiführen zu können und innerhalb der ökologischen Grenzen des Planeten bleiben zu können.

Anfangen – jetzt! 

Hier ist nun jeder einzelne Leser:in gefragt, die Impulse durch die Standpunkte der beiden Autoren für sich einzuordnen und eigene Schlüsse umzusetzen. Sollten das gelingen und jeder würde auch nur ein Wenig der neuen Erkenntnisse in sein Leben einfließen lassen, würde sich beginnend im Mikrokosmos des Einzelnen eine Verbesserung der Zukunftsaussichten im Makrokosmos der Welt ergeben. Denn aus der Komplexitätsbetrachtung weiß man, dass dort wo sich etwas verändert, dies auch Auswirkungen auf das Benachbarte hat. In diesem Sinne fordere ich auf, sich der „Streitfrage: Wachstum“ zu stellen.

Fotos: Westend Verlag 

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Buchtipp

Streitfrage Wachstum 

von Dr. phil. Katja Gentinetta und Prof. Dr. Niko Paech

Erschienen im Westend Verlag 

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