ZukunftsMacher Visionen
Daten fressen immer mehr Energien: Öko-Bilanz für Rechenzentren!
von Stefan Maier, Geschäftsführer der Prior1 GmbH und leidenschaftlicher ZukunftsMacher
Digitale Anwendungen haben im letzten Jahrzehnt Einzug in alle Bereiche des Lebens gehalten. Sie sind weder aus dem privaten noch aus dem wirtschaftlichen Umfeld wegzudenken und werden in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Nach und nach wird den privaten Nutzern bewusst, dass jede IT-Anwendung über das Internet gleichzeitig auch einen Rechenvorgang in einem Rechenzentrum erfordert, welcher Energie und weitere Ressourcen benötigt.
Energiehunger der Rechenzentren
Mittlerweile ist der Energiehunger der deutschen Rechenzentren so gewaltig, dass vier mittelgroße Kohlekraftwerke zu deren Energieversorgung von Nöten sind. Der Verbrauch setzt sich zu ca. 60 bis 80 Prozent aus dem Verbrauch der IT und zu 20 bis 40 Prozent aus dem der Gebäudeinfrastruktur zusammen. Zudem werden enorme Materialeinsätze in der IT und der Versorgungstechnik aufgewendet, um den Betrieb zu sichern.
Digitalisierung hilft auch Ressourcen einzusparen
Nun wäre es falsch, Rechenzentren lediglich als Ressourcenverbraucher zu brandmarken. Die Digitalisierung hilft uns, nicht nur das Leben angenehmer zu gestalten, sondern auch Energie und Ressourcen einzusparen. Denken wir nur an eine digitale und energetisch optimierte Verkehrssteuerung, an die Nutzung von Videokonferenzen, die uns helfen, Milliarden an Kilometern einzusparen oder an die gezielte Unterstützung in der Landwirtschaft. Hier gibt es unzählige positive Beispiele, die leider durch neue, teilweise unnötige Anwendungen und unbedachten Ge- und Verbrauch von Daten aufgezehrt werden.
Wie könnte das visionäre Rechenzentrum der Zukunft aussehen?
Als Planer, Errichter und Betreiber von Rechenzentren stellen wir uns die Frage: Wie könnte das visionäre Rechenzentrum der Zukunft aussehen? Dank hoher Energiekosten wurde in den letzten fünf bis zehn Jahren die Energieeffizienz in den deutschen Rechenzentren enorm verbessert und ist kaum zu toppen. Ist dem so? Wenn wir das Rechenzentrum als etwas Monolithisches, von der Umwelt losgelöstes ansehen, dann kann man der Behauptung zustimmen.
Wenn man jedoch weiter schaut und das Rechenzentrum als Bestandteil des öffentlichen Lebens und der Infrastruktur ansieht, man den Blick aus den vier Wänden hinauswagt, dann schlummern dort gewaltige Potentiale. Wir hoffen sehr, dass Planer und die Betreiber großer Rechenzentren dies bald erkennen und innovativer vorangehen.
Eine Gesamt-Ökobilanz der Rechenzentren?
Es reicht nicht mehr aus, die Effizienz innerhalb der eigenen Räume zu steigern. Rechenzentren sollten verpflichtet werden, eine Gesamt-Ökobilanz zu erstellen. Hierbei gilt es, die gesamten Energie- und Materialkreisläufe des Rechenzentrums zu erfassen, zu beachten und zu bewerten.
Die ab 2021 mit ca. 25 Euro pro Tonne zu leistender CO2-Steuer wird die Betreiber ermutigen, regenerative Energien einzusetzen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass dieser Betrag deutlich unter den tatsächlichen CO2 Folgekosten und den Forderungen der Wissenschaft (180 Euro / t) liegt, ist mit einer weiteren Erhöhung zu rechnen – wesentlich schneller als von der heutigen Bundesregierung vorgesehen. Vor dem Hintergrund der auf die Betreiber zulaufenden Kosten und vor allem in Anbetracht der massiven Klimaveränderungen, ist es unabdingbar, dass Rechenzentren mit regenerativer Energie betrieben werden und dass das Abfallprodukt Wärme nicht länger ungenutzt in den Himmel geblasen wird.
Querdenker aus der Nische
Wie so oft kommen die Innovationen, die wirklichen Querdenker, aus einer Nische. Zum Beispiel die Rechenzentren der Windcloud werden möglichst nahe an Windparks errichtet und gleichzeitig in der Nähe von wärmebedürftigen Infrastrukturen angesiedelt. Saubere Energie mit kurzen Transportwegen versorgt das Rechenzentrum und die in Wärme umgewandelte Energie wird an Nutzer weitergeleitet, die sich in der unmittelbaren Umgebung befinden. So bietet die Windcloud schon heute gekoppelte Energiekreisläufe, stärkt somit ihre Wettbewerbsfähigkeit und vereint Wirtschaftlichkeit mit Nachhaltigkeit.
Die Zukunft: Stoff- und Energiekreisläufe
Mini-Datacenter oder Rechenzentren der Zukunft werden in Stoff- und Energiekreisläufe eingebunden. Um dies möglichst verlustfrei zu gewährleisten, sollten sie nah an Energiequelle und Wärmenutzer positioniert werden.
Um eine gleichsam durchgängige Versorgung aus regenerativen Energiequellen sicherzustellen, wird unser visionäres Rechenzentrum an einen Windpark und ein Solarfeld angebunden (s. Windcloud). So steht Sonnenenergie zur Verfügung, wenn kein Wind weht, und umgekehrt. Für die durchschnittlich zehn Tage Dunkelflaute (dieser Begriff bezeichnet den Zustand, wenn weder Sonne noch Wind zur Verfügung stehen), wird im günstigen Fall die Energie aus regenerativ geladenen Energiespeichern geliefert. Hier könnte zum Beispiel die Umwandlung überschüssiger Energie in Gas erfolgen (Power to Gas) und in Zisternen eingelagert werden. Der Einwand des schlechten Wirkungsgrad ist zu vernachlässigen, weil das Gas quasi als Nebenprodukt bei überschüssiger elektrischer Leistung produziert wird.
In unserem Rechenzentrum werde die Prozessoren direkt mit Wasser gekühlt und so eine Wasserrücklauftemperatur von ca. 60 Grad Celsius erreicht, was gängigem Brauchwasser entspricht und zur Warmwasserbereitung oder zum Heizen genutzt wird.
Abwärmenutzung auch für die Produktion von Lebensmitteln
Bestens geeignete Anwendungen für diesen Systemaufbau wären Gewächshäuser, Container-Farming oder Aquaponiksysteme. Somit wird die für das Rechenzentrum notwendige elektrische Energie nicht nur für IT-Prozesse, sondern durch die Abwärmenutzung auch für die Produktion von Lebensmitteln genutzt. Vor allem Aquaponik realisiert wiederum weitere Stoffkreisläufe (Fischausscheidungen zur Düngung, etc.) und würde somit die Vision vom effizienten Rechenzentrum der Zukunft vervollständigen. Auch die Wärmeeinspeisung in ein Fernwärmenetz oder gar direkt in die Gebäude- oder Prozessheizung wären effiziente Lösungen.
Wird in Zukunft die Heizung von Einfamilienhäusern durch Edge-Computing-Server erfolgen?
Durch die bedarfsabhängige Leistungsanpassung direkt am Nutzer, gleichzeitig dezentrale (PV) und zentrale Stromversorgung (Wind) und die parallele Nutzung der Abwärme und IT-Prozesse ergeben sich augenblicklich mehrere Vorteile gegenüber einer aktuell gängigen Heizungslösung.
Unabhängig von der effizienten Energieverwendung, ist das visionäre Rechenzentrum ein Zero-Waste-Rechenzentrum. Im einundzwanzigsten Jahrhundert ist es aus der Zeit gefallen, dass IT-Komponenten nach drei bis fünf und die technische Gebäudeausstattung nach zehn bis 15 Jahren ausgetauscht werden. Gefordert werden IT-Systeme, die sich an Leistungssteigerungen anpassen und deren Einzelteile nach der Ausmusterung erneut zu verwenden sind. Gleiches gilt für die Komponenten der Gebäudetechnik. Hier sind die Komponentenausstatter gefragt und müssen liefern, wenn sie langfristig auf dem Markt bestehen wollen.
Die hier skizzierten Gedanken ließen sich weiter entwickeln und so das Rechenzentrum vom Energieverbraucher zum Prosumer wandeln. Viele der genannten Lösungen werden vereinzelt bereits umgesetzt, leider noch nicht in der Breite und Tiefe, wie dies möglich wäre.
Doch lassen Sie uns anfangen!
Fotos: Stefan Maier und Pixabay
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