Der ZukunftsMacher Buchtipp:
Stoffwechselpolitik | Arbeit, Natur und die Zukunft des Planeten
von ZukunftsMacher Helmut Scheel
Der Stoffwechsel ist der entscheidende Prozess, um uns Menschen am Leben zu erhalten. Stoffwechselpolitik nennt der Soziologe sein neuestes Buch mit dem Untertitel „Arbeit, Natur und die Zukunft des Planeten“. Wenn wir die ökologische Krise verstehen wollen, müssen wir die Arbeitswelt verstehen, sagt der Soziologe Simon Schaupp und plädiert für eine kämpferische Stoffwechselpolitik. Entlang der Aussagen entwickelt Schaupp seine Analyse zur historischen Entwicklung der Arbeitswelt: Die reicht vom Sklaventum über die Tagelöhner, Industriearbeitern und Gewerkschaften bis zur heutigen kapitalistischen Ausbeutung des Menschen. Auch wenn der Kapitalismus nicht im Vordergrund steht, so scheint er sich als prägender Geist im Hintergrund stets einzuschleichen.
Die ökologische Krise
Mit Karl Marx, für den Arbeit der „gesellschaftliche Stoffwechsel mit der Natur“ war, setzt Simon Schaupp Arbeit und Natur ins Verhältnis miteinander und nimmt so eine wichtige Verschiebung in der Betrachtung der ökologischen Krise vor. So hat sich der Mensch in seiner Entwicklung die Natur zunutze gemacht. Je mehr er der Natur abgerungen hat, desto mehr schien er sich von der Natur zu entfernen. Der Autor betrachtet die Natur auch als autonom und sie agiert im Wechselspiel mit dem Menschen. Der Soziologe betrachtet die Vereinheitlichung von Zeitzonen, Gewichten, Entfernungen und Währungen als wesentlich für die globale Zusammenarbeit. Über diese und ähnliche Kalibrierungen zerlegte der Mensch das Natürliche in für ihn passende Happen. Aus diesen Teilen wurde durch menschliche Arbeit schließlich handelbare Ware.
Was die Erfindung des Fließbandes bewirkte
Durch die Einteilung der Zeit und den zeitbezogenen Lohn wurden Lohn/Stückkosten berechenbar. Mit der Erfindung des Fließbandes in den Chicagoer Schlachthöfen nahm die Ausbeutung des Menschen weiter zu. Im Übrigen wurde das Fließband deshalb erfunden, weil das Fleisch der getöteten Tiere sonst zu vergammeln drohte, wenn es nicht schnell genug verarbeitet worden wäre. Damit war ein natürlicher Prozess das Triebmittel für die Entwicklung. Ebenso für Kühlräume und Kühlwagen für den Transport. Die Eisenbahn spielte schließlich ebenfalls eine wichtige Rolle für die Zulieferung der Tiere und dem Abtransport des verarbeiteten Fleisches. Damit wurde Fleisch, das zuvor ein Luxusgut war, zu einem Massenlebensmittel.
Maschinen lösen die menschliche Arbeitskraft ab
Ebenso war für die Arbeit Energie von Bedeutung. Während am Anfang die Handarbeit stand, entwickelte sich die Industrie zunächst entlang von Wasserläufen, da dort Wasserkraft zur Verfügung stand. Mit der Dampfmaschine lösten sich die Produktionsstätten von der Geografie und die Förderung von Kohle wurde immer weiter technisiert und von der menschlichen Muskelkraft losgelöst. Die Arbeit wurde mehr und mehr von Maschinen entrichtet. Der menschliche Körper verlor an Bedeutung bei der Arbeit. Die Bezahlung wurde schlechter. Die Arbeiter waren aber an Schlüsselstellen eingesetzt, weshalb sie durch Streiks wieder an Bedeutung gewannen. So bildeten sich die ersten Gewerkschaften. Durch höhere Löhne stieg der Lebensstandard, die Menschen konnten sich etwas leisten und konsumierten mehr. Doch wenn sich eine Gesellschaft an eine „bezahlbare Errungenschaft“ gewöhnt, wird es schwieriger darauf zu verzichten. Somit bedeutet für viele ein Konsumverzicht Rückschritt und wird als persönlicher Verlust verstanden.
Ausbeutung der Natur
Der wirtschaftliche Stoffwechsel basiert auf der Ausbeutung der Natur und ist an die menschliche Arbeit gekoppelt. Um jedoch die Bedeutung der Konzerne herunterzuspielen, erfand letztlich BP den persönlichen CO₂-Fußabdruck. Damit konnte die Industrie die Verantwortung für alles auf den Einzelnen schieben. Die Wirtschaftskonzerne blieben außen vor, da sie ja nur das produzierten, was die Konsumenten wollten. Dass zuvor die Konzerne mittels Werbung ein Begehren nach den Produkten und schließlich eine Gewohnheit mit selbigen erschufen, wird genauso verschwiegen wie die Kenntnis der Krebsgefährdung durch Rauchen oder die Klimaerhitzung durch das Verbrennen fossiler Energieträger. Beides war in den benannten Branchen schon lange bekannt. Verantwortung empfinden die Konzernlenker nur für die Gewinnmaximierung, aber nicht für die Folgen ihrer Produktion und Produkte.
Die Folgen für die Menschen und die Natur sind katastrophal. Wir werden immer mehr Technik zur Entlastung der Menschen einsetzen. Nachdem aber seit Jahrhunderten der Mensch seinen Selbstwert aus der Arbeit zieht, wird er mehr und mehr nutzlos. Diese Nutzlosigkeit wird anfänglich mit Konsum übertüncht. Doch dieser Konsum, der gleichzeitig Verbrauch ist, weshalb wir ja auch als Verbraucher tituliert werden, ist gewünscht, damit der Stoffwechsel weiter angetrieben wird. Die Politik fördert das, weil sie durch das Steuer- und Abgabensystem wie ein Junkie an der Nadel der Wirtschaft hängt. Die Förderung dieser Stoffwechselpolitik macht eine Veränderung so schwer bis fast unmöglich. Zu unserer heutigen Politik und Situation meint Schaupp in seinem letzten Satz: „Angesichts der planetaren Aufgaben, die sich uns heute stellen, ist diese schließlich nichts weiter als Prokrastination.“
Der ZukunftsMacher Buchtipp
Stoffwechselpolitik | Arbeit, Natur und die Zukunft des Planeten von Simon Schaupp
Erschienen im Suhrkamp Verlag