Die grüne 15-Minuten-Stadt: Die Zukunft unserer Innenstädte 

Von Marcel Klotz  

Marcel-Klotz-427x400 Die grüne 15-Minuten-Stadt

Als ich in den 60er Jahren in die Grundschule ging, wurde um mich herum gebaut wie verrückt. Die Straßen waren noch wenig befahren und zum Einkaufen ging man um die Ecke, zum Bäcker, Gemüsehändler und in die ersten Supermärkte. Man war froh, in einer der Neubauhäuser zu wohnen und man lebte in seinem Viertel.

Was aber hat das mit unseren Innenstädten von heute zu tun?

Nun, über 60 Jahre nach dem Wiederaufbau der Innenstädte leiden wir heute unter diesen schnell, preiswert und kleinteilig aufgebauten Häusern. Trotz der Sanierungswellen in den 70ern und 90er Jahren sind sie heute unbeliebt, dafür aber preiswert. Viele Menschen zogen im Laufe der Wohlstandsentwicklung lieber ins Grüne und nahmen ein Pendlerleben auf sich.

Gleichzeitig und damit verbunden erlebten wir einen Boom der Mobilität. Erst in den beiden Jahrzehnten des Wirtschaftswunders erhielt das Auto den besonderen Stellenwert, den es heute noch hat. Es brachte uns nicht nur in die europäischen Nachbarländer, sondern auch zu jedem Ort innerhalb der eigenen Stadt. Wozu noch mit der Tram fahren, warum das Fahrrad nehmen? Die Fahrt mit dem Auto war bequem, schnell und jederzeit verfügbar. Und so passten sich die Städte großzügig diesem Vehikel an. Die Straßen wurden breit, Radwege unnötig und oftmals mussten auch noch die Fußgänger auf Tunnel und Brücken ausweichen, damit die Straßen-Schneisen sogar in der Stadt bei grüner Welle mit Tempo 70 befahren werden konnten.

Die Supermärkte in den Vierteln wurden größer, verdrängten die kleinen Läden und benötigten mehr Fläche, einschließlich einem wie selbstverständlich dazugehörenden, kostenlosen Parkplatz. Wirklich kostenlos? Nein, es ging zu Lasten der freien Flächen der Gesellschaft. Auch zogen die Märkte vor die Tore der Stadt. Viele Städter fuhren dann auch gerne mal raus, weil man dort ja das große Vollsortiment vorfand. Wie praktisch.

Im Gegenzug ersetzten Modeketten die bisherigen Geschäfte in den Einkaufsstraßen. Man fuhr also in die Stadt zum „shoppen“, während man raus vor die Tore fuhr, um sich für den täglichen Bedarf einzudecken. Eine irrationale Entwicklung. Das alles ging bis zur Jahrtausendwende gut. Durch das Internet veränderte sich das Einkaufverhalten radikal.

Wir kennen das Ergebnis: Fußgängerzonen, in dem es hauptsächlich um das Shoppen geht, aber weniger um die Versorgung. In vielen dieser Einkaufsstraßen wohnt niemand mehr. Die Wohnqualität ist für viele Menschen dort unattraktiv und so erlebt man viele Innenstädte nachts oder am Wochenende menschenleer. Ausnahmen sind die Kneipenviertel.

Shopping- der Wachstumstreiber 

Shoppen, zwischenzeitlich zum beliebtesten Hobby der Deutschen erwachsen, sorgte dann für Wachstum in allen Bereichen. Als wichtige Säule für das Wirtschaftswachstum, Steigerung der Mieten in den Städten, vor allem in den Einkaufsstraßen, und in Sachen Einzelhandelsflächen. Bis, tja, bis das alles nach und nach platzte, weil man sich den Einkauf lieber vom Internethandel nach Hause liefern ließ und die Hersteller den Fachhandel für überflüssig erklärten. Leerstände, vor allem in den Vororten und B-Städten, verzeichnen am Ende steile Wachstumskurven.

Und jetzt? Was ist unser Bild von den Städten in den nächsten Jahrzehnten. Denken wir mal 30 oder 40 Jahr voraus.

Zukunft-Germany Die grüne 15-Minuten-Stadt Zukunft der Innenstädte: Die Vision[/caption]

Städte haben sich massiv darum gekümmert, Einzelhandelsflächen zu reduzieren, umzuwandeln und auf bestimmte Kerngebiete zu konzentrieren. Manche Geschäfte wurden zu Wohnraum umgewandelt, andere zu Büroflächen. Für Freiberufler und kleinteilige Gewerbetreibende oder Dienstleister ist es wieder interessant, in den Innenstädten zu arbeiten, und nicht auf der „Grünen Wiese“.

Kultur, Theater und kleinere Kinos füllen die Leerräume und bieten lokale Angebote an. Auf zentralen Plätzen entstehen wieder Wochenmärkte mit regionalen Angeboten.

Fußgängerzonen werden eine Mischung aus Nahversorgung aller Art durch kleinere Geschäfte sein, durchmischt mit Tagesgastronomie und Cafés. Und in den Häusern ziehen wieder Bewohner in die oberen Etagen. Die Häuser haben zwar weiterhin keine Gärten und Balkone, sind aber gerade für Single- oder Studentenhaushalte optimal und zudem modern saniert. Es ist weiterhin preiswert hier zu wohnen. Auch sind Seniorenwohnungen, betreutes Wohnen und Altenheime wieder in die Innenstadt gezogen, denn auch Senioren schätzen das Leben und die Möglichkeiten in den Zentren.

Grün, grün, grün  

Die Gestaltung der Straßen erfolgt unter den Gesichtspunkten der Aufenthaltsqualität, sind deutlich stärker begrünt und zum Beispiel mit Wasserläufen versehen. Die Innenstadt ist zum grünen Wohnquartier umgewandelt. Alles was man braucht kann innerhalb von 15 Minuten erreicht werden. Kinder spielen hier gerne, denn die Innenstädte sind weitgehend autofrei. Überall gibt es Fahrradparkhäuser. Autos werden über Sharinganbieter im Bedarfsfall genutzt. Sport- und andere Freizeitangebote sind ebenfalls in die freigewordenen Flächen eingezogen. Ehemalige Parkplätze werden nun für Freizeitangebote wie Spielplätze, Basketballfelder oder Skaterparks genutzt. Um sie herum entstehen Verweilplätze zum Zuschauen.

Supermärkte haben sich wieder auf kleinere Flächen in den Quartieren besonnen, sie befinden sich jetzt in den freien Flächen ehemaliger Kaufhäuser oder großer Filialisten. Zum Shoppen – nach wie vor eine beliebte Freizeitbeschäftigung – geht man in die Innenstädte, wenn es um den Kauf individueller Dinge außerhalb der Massenproduktion geht, oder kauft ansonsten über das Internet ein. Shoppingmalls werden geschlossen, alte sogar abgerissen. Es wird weiterhin Outletcenter vor den Toren der Städte geben. Dort konzentriert sich alles für das Shoppingerlebnis in den Flagshipstores der Hersteller. Hier kann man anfassen, anprobieren und sich alles nach Hause liefern lassen.

Die 15-Minuten-Stadt gewinnt an Attraktivität 

Insgesamt sind viele Menschen, besonders Singles und Kleinfamilien wieder zurück in die Städte gezogen. Wohnen, Leben und Arbeitsplatz sind wieder näher zusammengerückt. Schulen und Kindergärten sind in Reichweite und man verbringt seine nachbarschaftliche Freizeit auf der Straße. Es ist leise in der Innenstadt, Feinstaubbelastungen sind flächendeckend zurückgegangen und es ist dank der Begrünung wieder kühl.

Glücklich sind die, die in 30 Jahren um den „Dreiklang aus Marktplatz, Rathaus und Kirche“* herum leben. Diese bilden, wie schon früher, den Kern einer lebenswerten Innenstadt.

Kontakt

Marcel Klotz

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