Digital Detox im Offline Dorf: Weniger scrollen, mehr leben!

Eine Woche im Offline Dorf – ein Erfahrungsbericht von ZukunftsMacher Andreas Koch

Gelesen und direkt gebucht, so beginnt die Geschichte. Sie führt mich in das weltweit erste Offline Dorf, ein 5-tägiges Retreat, das wissenschaftlich fundiert einen nachhaltig gesunden Umgang mit Smart Devices fördert. Nun lande ich wieder in der digitalen Welt und lasse das Erlebte Revue passieren.

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Live the moment. Leave the phone.

Wie oft greifen wir zum Smartphone?

Es begann mit der Abgabe meines Smartphones und endete mit einem unbekannt intensiven Eintauchen mit mir zunächst fremden Menschen in die Traumwelt eines kleinen österreichischen Bergdorfes namens Gargellen. Was sich in unserer so digital gewordenen Welt zunächst seltsam ungewohnt anfühlte, wurde zu einem ganz besonderen Erlebnis, das auch heute – Tage nach meiner Rückkehr – noch intensiv nachwirkt. Zugegeben, am ersten Tag ertappte ich mich oft dabei, wie ich unbewusst in meine Hosentasche griff, um mein Smartphone zu suchen. Als ich dort nur den überdimensionalen Zimmerschlüsselanhänger des Hotels fand, der zufällig die Größe meines Smartphones hatte, musste ich schmunzeln. Wie intuitiv überbrücken wir Momente der Langeweile mit dem Griff zum Handy. Was verhaltenspsychologisch sinnvoll ist, um unsere Aufmerksamkeit zu fesseln, hat für uns zur Folge, dass wir nach jedem Scrollen auf dem Handy etwa 20 Minuten brauchen, um dort weiterzumachen, wo wir gerade zum Beispiel bei einer Aufgabe waren. Das rechnet sich schnell, wenn wir je nach Studie 50- bis 100-mal oder noch öfter am Tag zum Handy greifen. Wir leben in einer Aufmerksamkeitsökonomie, in der unser wichtigstes Gut Zeit und Aufmerksamkeit geworden ist. Damit bewusster umzugehen, war das Ziel meines Eintauchens in das Offline Dorf. 

Die Entdeckungsreise zu mir selbst beginnt

Die für mich ansprechende Beschreibung des Offline Dorfes lautete, dass wir uns auf eine Entdeckungsreise begeben, bei der wir mit den Bausteinen Bewegung, Entspannung, Handwerk und Kulinarik eine nachhaltige Resilienz fördern. So begann der erste Tag mit einer Achtsamkeitswanderung, bei der wir uns auf unsere Sinne (Hören, Sehen, Fühlen, Schmecken) konzentrierten, gefolgt von einer Führung, die uns heimische Kräuter und Pilze erklärte und deren Wirkung näherbrachte. Ich kenne das noch aus meiner Kindheit vor Tschernobyl und habe es damals geliebt, Pilze zu sammeln. Nicht nur, weil wir sie dann lecker zubereitet haben, sondern auch, weil ich das Gefühl mochte, durch den Wald zu streifen und Pilze zu suchen. Das war für mich eine Mischung aus Neugier, Entdeckergeist und Entspannung. So war es auch im Offline-Dorf und dazu kam noch, dass unsere gesammelten Kräuter und Pilze für uns regionaltypisch zubereitet wurden. Das optisch und kulinarisch beeindruckende Menü genossen wir an einer langen, von Kerzen gesäumten Tafel mitten im weiten Tal bei Sonnenuntergang und Sternenaufgang. Einen besseren Start hätte ich mir nicht vorstellen können.

Ein lebensveränderndes Geschenk und ein besonderes Erlebnis

Der zweite Tag enthielt – ohne, dass ich es ahnen konnte – ein lebensveränderndes Geschenk und Erlebnis für mich. Aber der Reihe nach: Wir begannen den Tag mit einem morgendlichen Spaziergang in Stille entlang eines wunderschönen Baches. Da ich morgens nach dem Aufstehen gerne meditiere, war das ganz nach meinem Geschmack… mit allen Sinnen in den Zauber der Natur eintauchen. Am Ende der Wanderung landeten wir in einem Hochtal, wo schon Yogamatten auf diejenigen warteten, die sich für Yoga entschieden hatten. Zugegeben, Yoga in der Natur ist um einiges schöner als in den eigenen vier Wänden, aber das Highlight der Woche folgte auf dem Fuße. Mit Hilfe des Weltrekordhalters im Eisschwimmen, Josef Köberl, lernten wir das bewusste und geführte Baden in einem eiskalten Gebirgsbach. Wir hatten einen sonnigen Tag erwischt, aber der erste Kontakt mit dem eiskalten Wasser ließ mich zurückschrecken. Unmöglich sagte mein Verstand. Aber ich lernte, dass unsere Hautzellen in der Kommunikation mit unserem Gehirn nicht zwischen warm und kalt unterscheiden können und wie wir mit bewusster Atmung und ganz langsamer Gewöhnung das Eisbaden lieben lernen können. Nur so viel: Ich habe es am letzten Tag des Offline-Dorfes noch einmal gemacht und es war wieder der gleiche Effekt: Ein tiefes Glücksgefühl gepaart mit einem tiefen Entspannungsschütteln nach dem Bad. Knapp 30 Minuten war ich im Gebirgsbach und hatte teilweise das Gefühl, in einer Thermalquelle zu baden. Was ist noch alles möglich, wenn sich mein Gehirn so trainieren und fokussieren lässt?

Die Natur mit Rechten gleichstellen

Der zweite Tag endete mit einer kreativen Wanderung, bei der wir unsere Beziehung zur Natur, zu Tieren und Pflanzen reflektierten. Intuitives Schreiben gehörte ebenso dazu wie kreatives Malen und ein bewusster Perspektivwechsel. Wir tun manchmal so, als wären wir unabhängig von der Natur, dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Wir sind ein Teil von ihr und verbringen zum Beispiel nur ein Prozent unserer Zeit in Gebäuden. Die restliche Zeit haben wir in der Natur und im Einklang mit ihr gelebt. Eine spannende Frage war daher, was zum Beispiel ein Fluss über uns sagen würde. Wäre es nicht nur konsequent, wenn die Natur mit allen Rechten, die wir auch haben, gleichgestellt wäre? Damit würde sie vom bloßen Objekt (wie in Artikel 20a des deutschen Grundgesetzes geregelt) zum Rechtssubjekt, das seine Rechte eigenständig einfordern, einklagen und durchsetzen kann. Einige Länder gehen bereits mit gutem Beispiel voran.

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Kooperation statt Konkurrenz

Am dritten Tag konnten wir erleben, was das Offline Dorf so besonders macht. Denn alle Aktionen wurden von den unterschiedlichsten Akteuren des Dorfes gemeinsam ko-kreativ gestaltet. Kooperation statt Konkurrenz ist das Motto vieler touristischer Akteure in diesem besonderen Dorf und das war überall zu spüren. So haben nicht nur die Köche der verschiedenen Hotels gemeinsam für uns gekocht, sondern viele Akteure haben aktiv Programmpunkte des Offline-Dorfes mitgestaltet. Ein echtes Gemeinschaftsprodukt, wie ich es im Tourismus selten erlebe. Dass dies in der DNA des Dorfes liegt, erklärte uns Friedrich bei der Wanderung entlang des Gargellener Fensterweges. Auch dies ist ein Gemeinschaftsprojekt der Dorfgemeinschaft, um ihre Geschichte auf einem traumhaften Rundwanderweg, um das Dorf erlebbar zu machen. Dieses Verständnis von Tourismusentwicklung hat mich persönlich sehr berührt, denn erst dadurch wurde das Offline Dorf wirklich zu einem touristischen Produkt. Linda Meixner, die als erfolgreiche Influencerin mit der Gründung des Offline-Instituts eine radikale Wende vollzogen hat, hat diese Idee ins Tal getragen und damit viele inspiriert. Sie selbst stieg für 66 Tage – so lange brauchen wir laut Wissenschaftlern, um unsere Gewohnheiten zu ändern – aus der digitalen Welt aus und fasste ihre Erkenntnisse in einem Offline-Manifest zusammen.

Offlinedorf-_Linda_Meixner Digital Detox im Offline Dorf: Weniger scrollen, mehr leben!

Linda Meixner, die erfolgreiche Influencerin hat das Offline-Institut gegründet

Das Leben spüren 

Immer wieder gab es spannende Impulse von Forscher:innen und Expert:innen zum Thema Digital Detox und Resilienz. So las Anna Miller aus ihrem Buch „Verbunden“ und gab uns viele Tipps mit auf den Weg. Ich habe mitgenommen, dass unser digitales Verhalten viel mit unserem realen Leben zu tun hat. Wenn wir uns verbunden fühlen, suchen wir weniger die Verbindung im digitalen Raum. Im Offline-Village habe ich gemerkt, dass ich mehr Zeit hatte, das Leben wirklich zu spüren. Die Gespräche waren tiefer und ehrlicher, ohne die üblichen Masken. Vielleicht lag es an den Menschen, aber ich glaube, es lag daran, dass wir weniger abgelenkt und präsenter waren. Wir hatten uns, hatten Zeit und die Neugier, herauszufinden, was es bedeutet, hier und jetzt zu leben, wer wir sind, ohne online zu sein. Heute, am Tag meiner Rückkehr, kann ich sagen, dass mich dieses Gefühl trägt: Es ist ein sattes, tiefenentspanntes Glücksgefühl, physiologisch wahrscheinlich mit der Ausschüttung von Dopamin und Serotonin verbunden, das wir durch die Offline-Dorf-Aktivitäten bewusst aktiviert haben.

Kann man Körper, Geist und Seele mit einfachen Methoden zu Höchstleistungen zu bringen?

Den sportlichen Abschluss bildete eine kleine Wanderung inklusive Klettersteig in einer nahe gelegenen Bachschlucht. Zugegeben, das war anspruchsvoller als ich gedacht hatte, denn an der Leine eine Wand hochzuklettern, forderte mich psychisch mehr als physisch. Was passiert, wenn ich den Halt verliere, wie tief falle ich? Umso schöner war das Gefühl, es geschafft zu haben. Am Nachmittag blieb Zeit, das Erlebte in unserem Offline-Tagebuch zu reflektieren, um dann die Woche am Lagerfeuer mit Stockbrot, Gitarrenklängen und netten Gesprächen ausklingen zu lassen. Dabei gab es wieder einen spannenden Impuls von Gerhard Moser mit der Frage, ob es eine Strategie gibt, Körper, Geist und Seele mit einfachen Methoden zu Höchstleistungen zu bringen? Er brachte das WARUM hinter dem Offline Dorf wunderbar auf den Punkt und seine Ideen sind in die Konzeption eingeflossen.

Offline-Dorf-3 Digital Detox im Offline Dorf: Weniger scrollen, mehr leben!

Das Dilemma unserer Zeit

Gerhard erklärt uns zunächst das Dilemma unserer Zeit. Unser Körper hat gute Antworten auf bekannte Stressoren wie Hitze, Kälte, Lärm oder Hunger gefunden. Diese waren einmalig, zeitlich begrenzt und körperlicher Natur. Im Gegensatz dazu sind die Stressoren unserer Zeit, wie zum Beispiel unser exzessives digitales Leben, multifaktoriell, zeitlich unbegrenzt und psychisch. Dies führt dazu, dass unser Immunsystem rund um die Uhr aktiviert ist. Wenn man nun bedenkt, dass unser Gehirn und unser Immunsystem jeweils 40 bis 50 Prozent unserer Energie verbrauchen, erklärt sich die Herausforderung des 21 Jahrhunderts. Wir brauchen mehr Energie auf Kosten anderer Organe wie Herz, Nieren oder Lunge. Ein „Trick“ zur schnelleren Energiegewinnung unseres Körpers ist das „Aufreißen“ der Darmzotten, ein Phänomen, das als Leaky-Gut-Syndrom bekannt ist. Dadurch wird die erste „Verteidigungslinie“ unseres Körpers geöffnet. Dieses Syndrom ist zusammen mit einem überforderten Immunsystem die Ursache für viele Krankheiten.

Stressfaktoren reduzieren 

Im zweiten Teil des Vortrags wurde rückblickend erklärt, was und warum wir diese Woche so erlebt haben. Die Reduzierung von Stressfaktoren, wie zum Beispiel der Blaulichtstrahlung unserer Handys und Laptops, verbunden mit moderater täglicher Bewegung von mindestens 30 Minuten in der Natur sind die besten Antworten. Viele weitere Tipps sind bekannt und leicht umzusetzen: Morgens nach dem Aufstehen 0,5-0,7 Liter Wasser trinken, den Rest des Tages ein Liter pro 25 kg Körpergewicht, zehn Stunden vor dem Schlafengehen keinen Kaffee und zwei Stunden vorher nichts mehr essen, Blaulichtfilterbrille kaufen, kohärente Atmung üben (fünf Sekunden einatmen, fünf Sekunden ausatmen), beim Essen viel kauen, kurze Bewegung vor dem Essen, kalt duschen oder sogar baden. Alles gar nicht so kompliziert. Und mit meiner neuen Vorliebe für Eisbäder liege ich voll im Trend.

Reflexion über das digitale Leben 

Aus touristischer Sicht finde ich das Offline Dorf in mehrfacher Hinsicht sehr spannend. Es ist gerade für ländliche und dünn besiedelte Gebiete, die oft mit vielen Herausforderungen zu kämpfen haben, attraktiv und steigert gleichzeitig die Attraktivität von Arbeitsplätzen in diesen Räumen. Am meisten hat mich aber beeindruckt, wie es mich als Teilnehmende inspiriert hat, bewusster über mein digitales Verhalten nachzudenken. Und das nicht dogmatisch, sondern inspirierend, gerade weil ich es live erlebt habe. Ich bin mir sicher, dass es Touristen ähnlich gehen würde.

Wir leben in einer entscheidenden Zeit, in der viel auf dem Spiel steht. Wie werden wir uns und unsere Umwelt weiterentwickeln oder weiter zerstören? Da hilft es, wenn wir weniger online und bewusster offline sind. Denn Leben findet statt, wenn wir weniger scrollen und mehr leben. Dann haben wir auch mehr Zeit und vor allem Bewusstsein, um über die wirklich wichtigen Fragen nachzudenken und gemeinsam Lösungen zu finden. Ich habe es jedenfalls sehr genossen und frage mich nun, was und wie ich es noch besser in meinen Alltag integrieren kann. Wie sagte Anna Miller so schön: „Wer einen Berg besteigt, ist erst oben und hat den Gipfel erreicht, wenn er wieder unten ist.“ Wir sind also erst dann bewusster im digitalen Konsum, wenn wir ihn nicht nur im Offline Dorf, sondern in der täglichen Praxis leben können.