Digitale-Seele-scaled Digitale Unsterblichkeit
Buchtipp: Die Digitale Seele  

von ZukunftsMacher Helmut Scheel

„Who wants to live forever?“ So beginnt das letzte Kapitel des Buches „Die digitale Seele“ von Moritz Riesewieck und Hans Block. Diese Frage hätte auch genauso gut am Anfang des Buches stehen können, denn das Augenmerk der fast 600 Seiten geht in Richtung des Lebens über den Tod hinaus. Der Exkurs durch die Thematik der Seele, die überwiegend auf die Unsterblichkeit der Seele ausgelegt ist, beginnt mit menschlichen Begegnungen, die Bots entwickeln, die nach ihrem Tod für die Nachkommen und Hinterbliebenen verfügbar sind. Diese sollen den Charakter und die Art und Weise widerspiegeln, wie die Menschen zu Lebzeiten waren, wie sie gesprochen und geantwortet haben. Die Menschen wollten für ihre Nachwelt erhalten bleiben, damit die Trauer für die Angehörigen reduziert wird  – und die Nachfahren ebenfalls noch Kontakt mit dem Großvater, Urgroßvater oder Ururgroßvater usw. aufnehmen können und zwar in einer für den Menschen gewohnten Art und Weise mittels gesprochener oder geschriebener Sprache. Diese Bots sollen eine nachvollziehbare und reproduzierbare Begegnung mit dem Verstorbenen ermöglichen.

Ein zweites Ich 

Was bisher eine Glaubenssache war und in Horrorgeschichten und Gruselromanen vorkam, soll durch die Bots technisch umgesetzt werden und bis zu realistischen Avataren führen. Dazu haben die Sterbenden sehr viel Zeit verwendet, um die Bots mit persönlichen Informationen zu füttern oder die Programmierer haben unendlich viel Datenmaterial als Futter den Bots eingegeben. Die Erfolge waren da, zum Teil noch zu Lebzeiten der Menschen, welche sich in dem Bot ein zweites Ich aufgebaut haben.

Technisches Überleben 

Andere versuchen über technische Möglichkeiten ein verlängertes oder ein ewiges Leben zu erhalten. Sie lassen sich oder ihr Gehirn tiefkühlen – und sie vertrauen darauf, dass es irgendwann einmal möglich sein wird, die tiefgekühlten Körper wieder mit Leben zu füllen. Die Überwindung des Todes ist ein uralter Menschheitstraum. Schon das älteste Epos von Gilgamesch berichtet davon. Auch bei den Ägyptern diente vieles dem ewigen Leben oder der Auferstehung zu neuem Leben nach dem Tod. Der einzige Unterschied scheint jedoch die Form des Weiterlebens in Form von Bits und Bytes zu sein. Ist die neue Göttlichkeit also die Superintelligenz der Computer? Spiegelt sich unser Sein in allen Daten wider, die wir  in den unendlichen Weiten des World Wide Web hinterlassen? Haben wir in unseren digitalen Hinterlassenschaften unsere Seele transformiert? Auch dieser Frage gehen die Autoren nach – ihr Schluss dürfte jedem einleuchten.

Fühlende Wesen 

Wir Menschen sind mehr als nur Daten und messbaren Interaktionen. Wir sind mehr als nur unser Denken. Wir sind fühlende Wesen, die spontan reagieren und unsere Fehler mögliche, nicht kalkulierbare Reaktionen auslösen. Diese kontinuitätsbrechenden Geschehnisse machen das Leben aus. Solche sind der Technik weitgehend fremd und vor allem nicht berechenbar. Wenn diese Spontanreaktionen auf Basis von Empfindungen oder Emotionen aber fehlen, haben wir dann überhaupt die Möglichkeit uns in die digitale Welt transformieren zu lassen? Ist dann der Wandel vom lebenden Menschen zum duplizierten Avatar wirklich gleich der Transformation einer Raupe zu einem Schmetterling?

Wer hat nach unserem Tod Zugang zu unseren Daten? 

Zudem muss über die Folgen nachgedacht werden. Wenn unser digitales Sein unsterblich sein sollte, welche Auswirkungen hat dies auf die Welt nach unserem menschlichen Ableben? Wer hat dann Zugang zu uns? Könnten unsere digitalen Nachleben zukünftige Fragen überhaupt verstehen? Ist nicht unser Leben ein Mitentwickeln mit der Zeit?

Who wants to live forever?

Es gibt schon viele Herausforderungen, die wir lösen müssen, wenn es um unser digitales Überleben geht. Was geschieht mit den Daten in den sozialen Netzwerken? Was passiert mit unseren Daten bei Google? Taugen diese Daten eventuell sogar, um uns später wieder digital entstehen zu lassen? Was soll von uns bleiben, wenn der biologische Körper gestorben ist? Was ist eigentlich unsere Seele?  Diese Fragen bleiben bei mir nach der Lektüre übrig. War es also unnütz dieses Buch zu lesen? Nein, denn es zeigt die Brisanz des Themas komprimiert auf. Es zeigt die aktuell bereits möglichen Varianten auf, die ein digitales Fortbestehen erlauben. Es gibt Ausblicke was kommen kann und worauf wir bei unserem Ableben vorbereitet sein sollen, damit nicht etwas weiter existiert, was zwar von uns kommt, aber wir nicht wollen. Und daher noch einmal der Titel von der Band Queen am Ende meiner Besprechung des Buches „Die digitale Seele “ von Moritz Riesewieck und Hans Block: „Who wants to live forever?“

Fotos: Random House 

Die Autoren

Hans Block ist ein deutscher Theater- und Filmregisseur, Musiker, sowie Hörspielautor und -regisseur.

Moritz Riesewieck ist ein deutscher Theater- und Filmregisseur, sowie ein Drehbuch- und Sachbuchautor, außerdem Gründungsmitglied der Künstlergruppe Compagnie Laokoon.

2018 ist von den beiden Autoren 2018 die Dokumentation „The Cleaners – im Schatten der Netzwelt“ erschienen. 

Der Film handelt von Content-Moderatoren, die bei Facebook, YouTube und Twitter arbeiten und kontrollieren, was im Internet stehen darf und was entfernt werden muss. Ihre Aufgabe ist es, täglich Medieninhalte wie Texte, Videos und Bilder zu beobachten und auszuwerten und diese, wenn nötig, zu löschen oder zu sperren.

Außerdem zeigt die Dokumentation, wie soziale Netzwerke für Fake News, Internetzensur und Manipulation genutzt werden und welche Rolle dabei die Content-Moderatoren spielen.

Das Buch

Die digitale Seele

von Moritz Riesewieck und Hans Block

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