Durch inneres Wachstum zur Transformation
Mit IDGs zu persönlichem Erfolg und einer verantwortungsvollen Führung
von Dr. Britta Butz, LIVEsciences*
Wir leben in einer Wachstumsgesellschaft. Immer daran interessiert, etwas zu schaffen, zu meistern, zu optimieren. Zumindest nach außen. Doch das äußere Wachstum hat Grenzen! Trotz guter Absicht zerstören wir die Umwelt – und ein Stück weit uns selbst. Aufgrund von Erfolgsmustern verraten wir unsere Ideale und Werte. Allerhöchste Zeit, sich auf das innere Wachstum zu fokussieren.
Wir müssen (neu) lernen, nicht nur zu verändern, und zwar möglichst schnell, sondern das so zu tun, dass wir als Menschen und Menschheit nachhaltig davon profitieren. Hilfreich können dabei die sogenannten Inner Development Goals, kurz IDGs, sein. Anhand von fünf Kategorien (Sein, Denken, Beziehungen, Zusammenarbeit, Handeln) und 23 Skills zeigen sie, wie es uns gelingt, Transformationskompetenzen zu erlangen – als Mensch, als Unternehmen und als Gesellschaft.[1]
Innere Entwicklungsziele – warum sollte jeder Mensch sie haben?
Das Streben nach „mehr“ ist tief in uns verwurzelt. Allerdings sollte dieses Streben nicht im Sinne „immer größer, schneller, weiter oder besser“ sein, sondern in die Tiefe gehen – verbunden mit der Frage: Was schlummert noch in mir und in dieser Welt? Das sind die Momente, in denen wir einen neuen Blickwinkel entdecken, anfangen, uns selbstkritisch zu hinterfragen und dabei feststellen, dass da draußen sehr viel mehr existiert und möglich ist, als das, was wir kennen oder durch unsere persönliche Brille sehen. Es gibt einen guten Grund, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, sich einzulassen, auf das, was die Welt und andere Menschen zu bieten haben. Unsere Welt ist farbenfroh und lebendig. Letztendlich entscheiden wir selbst, wie wir diese Welt sehen, unser näheres sowie weiteres Umfeld wahrnehmen und Situationen bewerten.
Wir alle kennen Menschen, bei denen man auf den ersten Blick merkt: Ja, der/die ist wirklich bei sich angekommen! Der/die ist am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Der/die ist mit sich selbst und der Welt im Reinen. Das Gute daran ist: So jemand kann gar nichts Negatives in diese (also auch unsere) Welt bringen. Außerdem inspirieren uns diese Persönlichkeiten oft, unseren eigenen individuellen Weg zu gehen. Indem wir also nicht mit dem Finger auf andere zeigen oder von anderen etwas fordern, sondern bei uns anfangen, in unsere persönliche positive Energie kommen, können wir diese auch mehr und mehr weitergegeben. So kann jeder einzelne von uns zu einem Multiplikator werden.
Eine wichtige Rolle bei dieser persönlichen Reise spielen die eigenen Werte. Etwas, das wir persönlich für „gut“ erachten. Dinge, die für uns „nicht verhandelbar“ sind. Das alles entsteht teilweise aus unserer Geschichte, der Welt, aus der wir kommen; ein Teil ist allerdings bereits in uns veranlagt. Aber wie findet man diese Punkte heraus und wie gelingt es, sie in das eigene Leben (privat, beruflich) zu integrieren? Wir können unsere Werte, sofern wir uns nicht darüber im Klaren sind, mit Hilfe von Selbstreflexion[2] entdecken. Einmal gefunden, helfen Post-it am Bildschirm bei der Arbeit, zuhause am Spiegel oder digitale Erinnerungen per Smartphone – wichtig ist, dass wir unsere Werte immer vor Augen haben! Besonders in Situationen, in denen wir „feststecken“: Nimm dir besagte Werte zur Hand und frage dich selbst „Wofür stehe ich?“, „Was ist mir persönlich wirklich wichtig im Leben?“.
Die Rolle der Unternehmen: Wie eine neue Führung(-skultur) notwendige Kompetenzen etabliert, ohne die Menschen aus den Augen zu verlieren
Auch wenn wir bei uns selbst beginnen und dadurch viel bewirken können, werden wir scheitern, wenn sich mit den Menschen nicht auch die Unternehmen und Organisationen weiterentwickeln. Die alten Führungsstrukturen, in denen einem „von oben“ gesagt wird, was und besonders „WIE“ man einen Job zu erledigen hat, passen längst nicht mehr! Mitarbeitende streben nach Mitbestimmung und Sinn, Autonomie und Freiheiten, Vorankommen ja, allerdings nur mit entsprechender persönlicher Flexibilität. Immer weniger geht es um Zahlen, Status oder das Gehalt. All das schreit nach einem „Umdenken“ auf beiden Seiten. Mitarbeitende müssen mit mehr Entscheidungsmacht die damit verbundene Verantwortung übernehmen – und Führungskräfte im Gegenzug lernen, loszulassen und zu vertrauen.
Das Ziel von Unternehmen sollte es also sein, eine Umgebung zu schaffen, in der dieses neue Bewusstsein der Menschen seinen Platz finden kann. Im Außen sollten Unternehmen natürlich auch darüber nachdenken, welchen Mehrwert sie in dieser Welt schaffen, in welcher Weise sie – bei allen wirtschaftlichen Aspekten – mehr Freude und Erleichterung in die Welt bringen. Genau diese Aspekte werden zukünftig noch mehr darüber entscheiden, in welchem Unternehmen sich Mitarbeitende bewerben und engagieren.
Konzepte wie Teal, Holocracy u.a. helfen uns dabei, in neuer Führung zu denken und zu handeln. Bei diesen Konzepten steht der Mensch ganz im Fokus, der nach seinen Stärken, Kompetenzen und Vorlieben in die Rollen hineinwächst, die er am besten ausfüllt. Hier geht es nicht mehr um Titel und Positionen, sondern um Verantwortlichkeiten, die klar verteilt sind. Natürlich passiert das nicht von heute auf morgen, und es bedeutet auch nicht, dass es keine Führung mehr geben wird. Sie wird sich nur weiter wandeln. Es wird Leitplanken geben, in denen sich die Mitarbeitenden frei bewegen können. Regelmäßiges Feedback trägt dazu bei, auf beiden Seiten zu lernen. Führung wird sich auf vielen verschiedenen Ebenen und Wegen ergeben. Die Inner Development Goals haben mich zu vier Tipps inspiriert:
- Den Status quo hinterfragen
Die Reise beginnt, indem wir die Art und Weise, wie wir in unserer Führung handeln oder behandelt werden, sowie das System, in dem wir interagieren, hinterfragen. Ist die Art, wie Dinge ablaufen, wirklich in Einklang mit meinen Werten? Stimmt die Richtung, die uns als Team oder Unternehmen langfristig und nachhaltig zum Erfolg führen soll? Oft ist alles, was um uns herum passiert, so selbstverständlich und wir handeln fast schon automatisch, sodass wir gar keinen anderen Weg mehr in Betracht ziehen.
- Reflexion und Perspektiven tauschen
Es ist wichtig, das eigene Handeln zu reflektieren: Wie wäre es, wenn wir wirklich in einen Austausch mit unseren Mitarbeitenden gehen? Offen Fragen diskutieren, die bei der Reflexion aufkommen. Herausfinden, was sie von mir als Führungskraft erwarten? Was sie benötigen, um ihrer Tätigkeit mit Freude nachzugehen? Oft stimmen die Antworten sowie unsere Gedanken und Erwartungen nicht überein. Genau so schafft man einen Raum zum Austauschen und entdeckt neue Wege.
- Ganzheitlich denken
Dabei sollte das große Ganze nicht aus dem Blick geraten. Was ist unser Beitrag? Welchen Einfluss haben wir als Unternehmen auf die Welt da draußen? Ist das wirklich das, was ich/wir hier hinterlassen möchte(n)? Natürlich können wir nicht alle Probleme, besonders hinsichtlich Nachhaltigkeit, sofort und auf einmal lösen. Aber wir sollten (selbst-)verantwortlich für uns, unsere Gemeinschaft und den Planeten diese Gedanken unbedingt step by step in unsere Entscheidungen einfließen lassen.
- Offen bleiben, Neues auszuprobieren – und immer wieder reflektieren
Aber wie könnte ich es anders machen? Vielleicht habe ich schon reflektiert und mir ist klar, welche Dinge sich ändern müssen, um zu einer verantwortungsvollen Führung zu gelangen … aber wie ist die Frage? Es gibt viele Bestrebungen, die uns bereits Alternativen zeigen: Inner Development Goals, Teal (Reinventing Organisations), kollegial geführte agile Organisationsentwicklung, Holocracy, Sociocracy, New Work u.a. Es ist eine REISE und dabei dürfen wir durch Höhen und Tiefen gehen und in jedem Fall etwas lernen. In unseren Koffer packen wir allerdings nur das, was wir als wirklich wertvoll und hilfreich erachten.
Fazit
Es braucht das Ankommen des einzelnen Menschen bei sich selbst, um Veränderungen in der Welt zu schaffen. Es braucht aber auch Unternehmen und Organisationen, die neue Methoden und Tools aus CSR/SDGs/Agilität/Teal etc. nutzen, um Bewegung zuzulassen, anstatt in alten Mustern zu stagnieren. Für all das gibt es (leider oder zum Glück) kein Patentrezept! Denn so verschieden wir Menschen – und die Unternehmen – sind, so individuell wird auch die Reise jedes Einzelnen aussehen, um herauszufinden, was das Richtige für ihn/sie, das Team, eine Organisation ist.