Ökopionier mit Laib und Seele

Wie eine ethische und soziale Unternehmensführung gelingt.

Volker Schmidt-Sköries, Geschäftsführender Gesellschafter der biokaiser GmbH gilt als Pionier auf dem Gebiet einer ethischen, sozialen und ökologischen Unternehmensführung.

Wie es begann?

1976 gründete er zusammen mit einem Kollektiv die junge Schrotbäckerei Kaiser in Wiesbaden. Der Gruppe, die sich aus der 68er Bewegung rekrutierte, schwebte damals ein anderes gesellschaftliches Modell vor: Man suchte nach Antworten zu gesellschaftspolitischen, ökologischen, aber vor allem auch humanistischen Herausforderungen. „Keine Entfremdung“ war der Begriff, den das Kollektiv prägte. 1980 übernahm Volker Schmidt-Sköries den Betrieb und baute ihn sukzessive zu einer mittelständischen Biobäckerei aus. Heute zählt biokaiser zu den größten Bäckereien im Rhein-Main-Gebiet mit 28 eigenen Verkaufsstellen in verschiedenen Städten, rund 140 Handelspartnern und 360 Mitarbeitenden.

Elita Wiegand sprach mit dem Unternehmer Volker Schmidt-Sköries.

Volker-Schmidt-Skoeries Ökopionier mit Laib und Seele

Volker Schmidt-Sköries gilt als Ökopionier

Sie gelten als ökologischer Pionier. Wie haben Sie damals die Anfänge als Bio-Bäcker erlebt, als noch keiner von Bio sprach?

Volker Schmidt-Sköries: Es war eine exotische Zeit. Wir haben in einer Hinterhofbäckerei in Wiesbaden angefangen und unsere Kunden waren alternative Verbraucher, die zur Naturkost-Bewegung zählten. Ich war damals auf dem Weg Lehrer zu werden und hatte keine Ahnung vom Backen.

Mit unserem Kollektiv planten wir einen gesellschaftlichen Gegenentwurf zur damaligen Arbeits- und Lebenswelt. Nach einiger Zeit verzichteten wir auf den Einsatz von Fertigmehlen und fingen an natürliche Sauerteigbrote mit langer Teigführung zu backen. Dazu schafften wir eine eigene Getreidemühle an und mahlten unser Mehl selbst. Uns war von Anfang wichtig, dass wir in der Backstube auf Enzyme, Emulgatoren, Stabilisatoren oder Fertigteigmischungen verzichten und so haben wir auf das Urprinzip des Backens gesetzt: Sauerteige, die etwa 18 Stunden und mehr reifen. Je langsamer und schonender der Reifeprozess der Teige verläuft, desto feiner und ausgeprägter entwickeln sich die Aromen. Heute bezeichnet man es als „Slow Bakery“. Damals schon haben wir versucht die ersten Landwirte davon zu überzeugen auf Pestizide zu verzichten und das Getreide nicht mehr zu spritzen.

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Sie sagen, dass für Unternehmen das Geben und Nehmen zu einem fairen Wirtschaftsleben gehört. Wie setzen Sie das in Ihrem Unternehmen um?

Wir betreiben Wirtschaft anders. Uns widerspricht die Haltung, dass es nur um Rendite und egoistische Ziele geht. Reine Gewinnmaximierung lehne ich ab, weil ein Unternehmen nach ethischen Grundsätzen handeln muss und auch dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Die Balance spielt eine entscheidende Rolle in der Wirtschaft.

Unsere Shareholder, die Gesellschafter, sind seit einigen Jahren die GLS Treuhand e.V. sowie eine Familienstiftung. Fast 60 Prozent der Shareholder sind somit Stiftungen. Das hat den Vorteil, dass mein Unternehmen nicht kapitalisiert werden kann.

Ihren Aussagen zufolge ist das Gemeinwohl eine wichtige Komponente und Sie haben sogar eine Gewinngrenze eingeführt. Wie muss man sich das vorstellen?

Volker Schmidt-Sköries: Wir begrenzen die Gewinne, damit nicht einseitig eine Gruppe im Stakeholder-Prozess übermäßig profitiert. Wir gehen von einem Gewinnziel von über fünf Prozent aus. Wird dies erreicht, wird 30 Prozent des gesamten Gewinnes an unsere Mitarbeiter:innen, Landwirte, Müller, aber auch soziale und kulturelle Projekte verteilt. Wir sprechen in dem Zusammenhang von den Stakeholdern des Herzens. 

In den letzten Jahren haben wir pro Jahr zwischen 450.000 bis 800.00 Euro verteilt. Einen Teil investierten wir in ein eigenes Saatgut Forschungsprojekt zum Thema „Klimawandel und Getreide“.

Sie legen großen Wert darauf im Einklang mit der Natur zu leben. Das bedeutet, dass Sie sowohl die biologischen Landwirte unterstützen als technologische Möglichkeiten gegen die Klimakrise nutzen. Wie sieht das konkret aus?

Volker Schmidt-Sköries: Wir arbeiten mit der Erzeugergemeinschaft Kornbauern (Bioland) zusammen, die wir nicht nur finanziell unterstützen. Mit unseren Partnern haben wir zum Beispiel die regionale Weizensorte Fuchsweizen entwickelt und backen daraus Brote. Mit den Bauern gestalten wir Testfelder mit Saatgutmischungen, die höherwertig und resilienter sind.

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Für die Energiewende nutzen wir für unsere Produktion eine Photovoltaik-Anlage, die etwa 15 Prozent unseres Stroms produziert. Außerdem prüfen wir derzeit, ob sich eine Biogas-Anlage für uns lohnt, aber es wird noch dauern, bevor wir den Plan umsetzen können.

Neben den ökologischen Aktivitäten setzen Sie auch auf die soziale Komponente und haben dazu die Idee entwickelt Startups zu unterstützen. Was planen Sie?

Volker Schmidt-Sköries: Um unsere Idee zu verstehen, benutze ich in der Regel zwei Vergleiche: Zum einen Unternehmen, die wie Maschinen funktionieren, wo man wenig reinsteckt und viel rausholt und zum anderen Unternehmen, die als Baum gesehen werden und deren Umfeld ein gesunder Garten ist. Ein Baum erreicht irgendwann seine optimale Größe. Soll in dem Garten noch mehr wachsen, so werden andere Pflanzen angepflanzt. Das heißt, biokaiser strebt nicht ohne Ende ein Größenwachstum an, sondern löst die Wachstumsfrage, indem in andere Unternehmen investiert oder eine Zusammenarbeit angestrebt wird. Wir unterstützten so zum Beispiel Start-ups, wie Knärzje Brotbier. Ein weiteres Beispiel ist unsere neue Filiale im Oeder Weg in Frankfurt am Main. Dort starten wir mit dem Konzept Pop-up Weekend.

Für unsere Kunden werden wir eine Kulturbäckerei eröffnen und zum Beispiel Lesungen anbieten. Unser Slogan „Schmeckt gut. Tut gut. Macht Sinn“ wird durch die Sozialethik erweitert und wir stellen den Sinn immer mehr in den Vordergrund.

Auch intern folgen wir dem Prinzip, dass die Arbeit dazu beitragen soll, dass das Leben wertvoll ist. So gibt es für die Mitarbeiter:innen eine Büchersammlung, zwei Mal im Monat kommt ein Körpertherapeut, wir stellen Fitnessräume zur Verfügung und zur Weiterbildung veranstalten wir zum Beispiel  Klimaschulungen, Führungswerkstätten, Einzelcoachings für Führungs- und Nachwuchskräfte. Und: Das gute Arbeitsklima hat sich offensichtlich herumgesprochen, weil sich bei uns immer genügend Auszubildenen bewerben. Ab September 2023 sind es 33 Azubis in vier Ausbildungsberufen.

Wir haben jetzt festgestellt, dass Sie ein sozialer und nachhaltiger Unternehmer sind und sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen. Was treibt Sie an?

Volker Schmidt-Sköries: Ich fühle mich als Mensch. Da ich genug verdiene, ist mir das Teilen ein Herzensanliegen, das mir mehr Erfüllung bringt als immer weiter Reichtümer – in welcher Form auch immer – zu horten.

Ich fühle mich gesegnet mit dem Erfolg, mit dem, was mir das Leben schenkt.

Was wünschen Sie sich für eine lebenswerte Zukunft?

Volker Schmidt-Sköries: Wir haben auf verschiedenen Ebenen Nachholbedarf und mir erscheint es besonders wichtig, dass wir die neoliberale Haltung aufgeben. Klimawandel wird nur dann funktionieren, wenn wir teilen und für ein neues Miteinander stehen. Dass die Reichsten auch ein Vielfaches des CO2 Ausstoßes verursachen, ist dafür symptomatisch.

Profitgier, Ellenbogen und Konkurrenzdenken führen zu Ungleichheiten und einer sozialen Spaltung. Ich verstehe nicht, warum in der Politik in der Situation des bevorstehenden Klimawandels kleinkariert um die Macht gestritten wird. Wo bleibt die Vernunft?

Für meine Begriffe gilt es, endlich Haltung zu zeigen. Und wir brauchen eine andere Einstellung zur Natur und dürfen die Natur nicht mehr kommerzialisieren und als Objekt sehen. Zudem erleben wir eine Pervertierung der Demokratie. Die Lobby-Demokratie wird zu den neoliberalen Ansichten passend gemacht. 

Wenn ich die politische Situation, die ich als kurz vor einer großen Krise stehend, betrachte und dies mit meinem Unternehmen vergleiche, so stehen bei biokaiser verschiedenste Sichtweisen unter dem Ziel zusammen für das Unternehmen gemeinsam die Krise abzuwenden. Nicht jede Sichtweise vertritt nur ihre eigene Perspektive. Das müsste auch für die Politik gelten, vor allem bei den großen Herausforderungen, vor denen wir stehen.

Der Klimawandel ist für mich der humane Konkurs und da müssen politisch übergreifend Lösungen gefunden werden, die dem Gemeinwohl dienen.