Sprache schafft Wirklichkeit:
Ein Spiel der NaturFreunde NRW für Respekt, Vielfalt und Inklusion
Die NaturFreunde NRW sind ein antifaschistischer Umwelt-, Kultur- und Freizeitverband, der sich den Idealen des demokratischen Sozialismus verpflichtet. Aus der Arbeiter*innenbewegung heraus entstanden, setzen sich die NaturFreunde seit jeher für eine gerechtere Welt für alle ein, in der niemand in Angst leben muss und/oder diskriminiert wird und in der sich jeder Mensch frei entfalten kann. Stand anfangs der Zugang zur Natur für Menschen aus der Arbeiterklasse im Mittelpunkt, erweiterten sich die Themen sehr schnell um ökologische, umweltpolitische, antifaschistische und feministische Bildungsarbeit, denn eine nachhaltige Zukunft kann nur sozial-ökologisch gerecht gestaltet werden.
Während der NS-Zeit verboten, haben die NaturFreunde seit ihrer Wiedergründung ihr Verständnis von Umweltschutz nie vergessen und weiterentwickelt. Nachhaltigkeit ist die Handlungsmaxime der NaturFreunde, das heißt, sie tragen dazu bei, dass sich die Menschen ihrer Eingebundenheit in die soziale und natürliche Umwelt bewusstwerden und erkennen, dass sie nur so in sozialer Gerechtigkeit und Frieden leben können.
Die Naturfreunde NRW sind auch Partner*innen im Netzwerk der ZukunftsMacher*innen. Sie haben jetzt ein Spiel mit dem Titel „Respekt“ entwickelt. Dazu ein Interview von Elita Wiegand mit Mareike Götzinger.
Die NaturFreunde NRW stehen für eine sozial gerechte Gesellschaft und setzen sich für eine lebenswerte Umwelt ein. Nun habt Ihr ein Spiel entwickelt mit dem Titel „Respekt. Spiel, Spaß und Vielfalt “. Was verbirgt sich dahinter?
Mareike Götzinger: Das Spiel ist in der Arbeit mit unseren Ehrenamtlichen entstanden. Dabei ging es um die Frage, wie wir Menschen für Themen wie Barrierefreiheit, Inklusion und der Diversität in unserer Gesellschaft sensibilisieren können. Laura Oprea, eine unserer Ehrenamtlichen, hatte die Idee, auf der das Spiel basiert. Es geht darum, Begriffe aus dem Spektrum der Antidiskriminierungsarbeit, die für viele Menschen schwer zu verstehen sind, und ihre Definition herauszufinden und darüber ins Gespräch zu kommen.
Kannst Du dafür Beispiele nennen?
Mareike Götzinger: Wir haben insgesamt 40 Begriffe aus den Bereichen Barrierefreiheit, Inklusion und Formen von Diskriminierung zusammengestellt und dazu gibt es 40 Karten, auf denen die Begriffe erklärt sind. Dazu gehört zum Beispiel das Akronym „FINTA“. Die Auflösung: Das ist eine Abkürzung für Frauen, inter, nonbinäre, trans und agender Personen. Viele kennen den Begriff nicht, aber wir verwenden ihn in unserer Antidiskriminierungsarbeit. Ein anderes Beispiel ist „heteronormativ.“ Der Begriff bedeutet, dass es um die Falsch-Erzählung geht, dass Heterosexualität das „Normale“ in unserer Gesellschaft sei. Wir haben aber auch Begriffe wie „Misogynie“, Femizid oder „toxische Männlichkeit“ aufgegriffen.
Für die Genauigkeit der Karten in dem Spiel ist es wichtig, die Begriffe genau zu erklären. Wie seid Ihr vorgegangen?
Mareike Götzinger: Wir haben die Karten mit den Begriffen ungefähr ein Jahr lang in unserem Team der NaturFreunde NRW-Projekte Stärkenberatung NRW und DemokratieFreund*innen inklusiv und unseren Ehrenamtlichen entwickelt. Die Designerin Julia Tripke hat auch mitgewirkt und dann das Design kreiert. Obwohl wir die Begriffe in unserer Arbeit verwenden, war es uns natürlich wichtig, dass sie gut, stichhaltig und verständlich erklärt werden. Deswegen haben wir viel recherchiert und uns gleichzeitig von den Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben NRW (KSL NRW) beraten lassen. Auch bei der Gestaltung hat Julia darauf geachtet, dass das Spiel möglichst barrierefrei ist und zum Beispiel eine gut lesbare Schrift verwendet. Die Karten fühlen sich angenehm an und unterstützen so die motorische Sensorik. Wir haben auch darauf geachtet, dass die Farben kontrastreich sind, damit zum Beispiel Menschen aus dem Neurodiversitätsspektrum oder Menschen mit Sehbehinderungen die Karten auch nutzen können.
Die 40 Karten enthalten Begriffe, die verdeutlichen, dass sich unsere Sprache permanent wandelt. Wie ist das einzuordnen?
Mareike Götzinger: In unserem Spiel sind viele Begriffe aus den aktivistischen Bewegungen und vor allem Selbstbezeichnungen enthalten. Zum Beispiel aus der Bürger*innenrechtsbewegung, der queerfeministischen Bewegung oder aus den Behinderten-Selbstorganisationen. Auch spiegeln die Karten in unserem Spiel in Teilen eine Fachsprache wider, die akademisch und wissenschaftlich geprägt ist. Manche Begriffe sind auch einfach nicht direkt ins Deutsche übersetzbar, da sie sich beispielsweise im englischsprachigen Raum entwickelt haben und eine ganz eigene einzigartige Bedeutung und Verwendung aufweisen. Es ist eine Bubble von Menschen, die sich beruflich oder auch durch ihren Aktivismus oder ihrer Betroffenheit in diesem Bereich bewegen, sich damit auseinandersetzen und Diskriminierung verhindern wollen. Aber allen ist der Wunsch gemein, Sprache als Kulturtechnik und Abbild der Welt verletzungsfrei zu verwenden und die Tradition der kolonialen und anderen Ausbeutungsformen zu bekämpfen. Es ist absolut möglich Sprache, mit dieser Grundhaltung der Verletzungsfreiheit, so zu nutzen und aktuelle Entwicklungen leicht zu integrieren.
Was wollt Ihr mit dem Kartenspiel bewirken?
Mareike Götzinger: Es gibt viele Menschen in unserer Gesellschaft, die am Rande stehen und die von Prozessen – insbesondere Entscheidungsprozessen – ausgeschlossen sind und nicht teilhaben können. Wir wollen, dass alle Menschen gesehen werden, indem wir darüber sprechen, dass es diese Barrieren gibt und dass sie Menschen daran hindern, sich aktiv beteiligen zu können. Hinter den Begriffen stehen also eine Haltung, ein Menschenbild und eine Konsequenz in der Praktik. Wir wollen, dass alle Menschen gleichberechtigt gesehen und wahrgenommen werden, aber vor allem gleichberechtigt und angstfrei leben können. Sprechen ist immer auch Handeln.
Das Spiel „Respekt“ kann nun auch in Seminaren und Workshops eingesetzt werden. Wie?
Mareike Götzinger: Natürlich kann man „Respekt“ einfach spielen, aber wir sind in einem pädagogischen Kontext unterwegs und in unserer Projektarbeit nutzen wir das Spiel in Seminaren und Workshops als Einstieg in die Themen Barrierefreiheit, Inklusion und Vielfalt. Wir machen die Teilnehmer*innen damit auf Diskrepanzen aufmerksam und liefern Denkanstöße über diskriminierungssensibler Sprache. Natürlich öffnet sich dadurch auch ein Raum zur Auseinandersetzung und der Reflexion.
Welche Vision verbindet Ihr mit Eurem Spiel?
Mareike Götzinger: Uns geht es darum, sensibel für andere Lebenswelten zu sein. Und wir sollten anfangen, unsere Gesellschaft so zu gestalten, dass alle Lebensrealitäten vorkommen können und sie auch ihren Platz finden, gehört und gesehen werden. Und zwar jenseits einer neoliberalen Leistungskultur, in der wir uns leider befinden; in der das Kapital oft bestimmt, wer gehört und gesehen wird. Wir wünschen uns einen respektvollen und liebevollen Umgang miteinander.