Buchtipp
von ZukunftsMacher Helmut Scheel
Das Ende des Kapitalismus
Ulrike Herrmann hat ein viel diskutiertes Buch geschrieben unter dem Titel: „Das Ende des Kapitalismus“. Und der Untertitel lautet: „Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben“. Sie verbindet im erweiterten Titel Prognose und Prophezeiung. Das muss doch in diesen Zeiten ein Bestseller werden – ist es geworden!
Das Evangelium der Postmoderne
Die eingängige Sprache von Herrmann erlaubt es vielen ihren Gedanken zu folgen. Sie füttert den Leser mit all den Informationen, die den Weg zu ihrer Theorie bahnen. Kritikern entzieht sie schnell die Argumente. Insgesamt hat der Leser, der sich mit dem Thema beschäftigt, schnell den Eindruck, dass am Anfang des Schreibens bereits ein klares Ziel der fast 340 Seiten Papier feststand. Ihr Vorbild: Die britische Kriegswirtschaft ab 1939. So benennt sie deshalb das vorletzte Kapitel. In diesem Kapitel dampft sie das Kriegswirtschaftssystem auf 14 Seiten ein. Das System beschreibt die Autorin indes zu oberflächlich und es werden Zweifel wach, warum es heute als Evangelium der Postmoderne gelten kann.
Es gibt Kritikpunkte. Zum Beispiel die selektive Datenauswahl im Bereich der Ökoenergie. Hier verwendet Herrmann lediglich Zahlen für Wind und Sonne, unterschlägt Biogas, Geothermie und Wasserkraft und kommt damit auf eine falsche Einschätzung.
Freundin des Kapitalismus
Die Autorin stellt sich allgemein sehr gerne als Freundin des Kapitalismus dar und im ersten Kapitel titelt sie, dass der Kapitalismus ein Segen sei. Wachstum schafft Wohlstand. Sie durcheilt ihre Geschichte des Kapitalismus, wobei sie auch hier ihr Ziel am Ende des Buches im Blick behält. Hier liegt meine Kritik darin, dass sie den Kapitalismus als Basis für Entdeckungen, Wissenschaft und Forschung sieht. In der Regel ist hier die Meinung genau gegenteilig. Durch die Entdeckungsreisen und die beginnende Aufklärung im Mittelalter gekoppelt mit der fortschreitenden Philosophie in Richtung der reinen Vernunft, die Kant mit seinem phänomenalen Werk „Kritik der reinen Vernunft“ bereits widerlegte, wurde die Basis für die Industrialisierung gelegt. Erst daraus hat sich das entwickelt, was wir heute als Kapitalismus bezeichnen. Der weiteren Kapitalismusentwicklung kann man folgen.
Green New Deal – eine Illusion?
Zentral ist die Notwendigkeit des Wachstums für den Fortbestand eines kapitalistischen Wirtschaftssystems, egal welcher Couleur. Ob des anglikanischen oder des chinesischen, alle bedürfen des Wachstums als stabilisierenden Faktor. Herrmann folgert, dass auch grünes Wachstum oder der „Green New Deal“ eine Illusion sei, denn Wachstum ist immer auch an einem steigenden Energie- und Ressourcenverbrauch gekoppelt. Daher spricht sie von einem „grünen Schrumpfen“. Mittels diesem „Schrumpfen“ gelangt sie zu der britischen Kriegswirtschaft, die letztlich zur Rationierung von Gütern führte und alle wirtschaftliche Kraft in Richtung Rüstung lenkte. Ihr geht es darum, dass der Staat lenkender in das Wirtschaftssystem eingreifen muss. Hier zählt sie einige Bereiche auf und zitiert auch Bill Gates: „Das PC-Geschäft, auch von Microsoft wären niemals ein so großer Erfolg geworden, wenn nicht die US-Regierung in die Entwicklung von kleineren, schnelleren Mikroprozessoren investiert hätte.“ Solche und ähnliche Aussagen im Buch, dienen aus meiner Sicht nur der Verschleierung ihres eigentlichen Ziels: Der Staat (allein) soll alles richten. Ihre „Freundschaft“ zum Kapitalismus dient verbal nur als Feigenblatt, um ihr Ziel eines moderneren Sozialismus zu verdecken.
Wirtschaft ohne Freiheiten
Wer das unterhaltsam und leicht verständliche Buch lesen möchte, und kritischen Lesern empfehle ich es, der kann daraus lernen, wie man scheinargumentativ von einer Seite der Unterstützung des Kapitalismus recht schnell auf die andere Seite gelangt. Einzig muss man sich immer der eigenen Position bewusst sein, damit es einem nicht schwindelig wird. Damit möchte ich sagen, dass Ulrike Herrmann ein Verführungsbuch gelungen ist, welches ihr sicherlich weiter Aufmerksamkeit schenken wird und ihre Intention bestärkt: Die Zügel an die Wirtschaft müssen, nicht nur enger und fester angelegt werden, sondern dürfen unserer Wirtschaft kaum noch Freiheiten geben. Ein letzter Satz sei noch erlaubt, da das Buch in eine polarisierende Richtung geschrieben ist, habe ich versucht einen Gegenpol darzustellen. Nichtsdestotrotz kann es dem kritischen Leser Anregung für das eigene Denken liefern.
Foto: KiWi