Autos sind immer noch Autos – auch wenn sie elektrisch sind

Um unsere Klimaherausforderungen zu bewältigen, brauchen wir kleinere, sicherere Elektrofahrzeuge – und viel mehr Möglichkeiten umzusteigen

Von Paris Marx, Autor von Road to Nowhere

Elektrofahrzeuge werden als Lösung für unsere Klimakrise angepriesen – aber sind sie das auch?

Im Herbst 2021 machte Präsident Joe Biden einen Zwischenstopp in Detroit, um für das Infrastrukturgesetz der Demokraten und die Einführung von Elektrofahrzeugen zu werben. Die Regierung will das als Schlüsselmaßnahme anpreisen, um die Klimakrise zu meistern. Doch sein Besuch hat gezeigt, warum elektrische Autos keine Lösung sind. Das tiefere Problem dahinter steckt nämlich in der Abhängigkeit von SUVs.

Als Präsident Biden bei General Motors ankam, setzte er sich nicht etwa hinter das Steuer eines „Bolt“, des elektrischen Kleinwagens des Unternehmens, sondern stieg in den neuen Hummer EV ein. Genau das Auto verdeutlicht, was in den in den letzten Jahrzehnten schiefgelaufen ist. Nachdem Biden  eine Spritztour gemacht hatte, erklärte er: „Dieser SUV ist ein verdammt gutes Fahrzeug.“ Tage später gab GM bekannt, dass Bidens Werbung die Reservierungen für die massiven Fahrzeuge erhöht hätten, sodass wir wahrscheinlich noch viel mehr von ihnen auf der Straße sehen werden.

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Der GMC Hummer EV

Das ist nicht die Zukunft, die wir brauchen

Der Verkehr verursacht 27 Prozent aller amerikanischen Emissionen, mehr als jeder andere Sektor. Obwohl es in den letzten Jahren zu einer Steigerung der Kraftstoffeffizienz durch den Besitz von Elektrofahrzeugen gekommen ist, hat der Aufstieg der SUVs die Vorteile zunichte gemacht. Die internationale Energieagentur (IEA) stellte fest, dass die wachsende weltweite Nachfrage nach SUVs zwischen 2010 und 2018 den zweitgrößten Beitrag zu steigenden Emissionen leistet. Müssten wir nun einfach alle SUVs elektrifizieren? So einfach ist es nicht.

Elektroautos sind nicht sauber

Elektrofahrzeuge werden oft als „emissionsfreie“ Fahrzeuge bezeichnet, weil sie keine Auspuffemissionen erzeugen. Aber das bedeutet nicht, dass sie sauber sind. Ihre großen Batterien erfordern einen umfangreichen Ressourcenabbau aus Minen auf der ganzen Welt. Die Folgen sind für die Umwelt und die Menschen erheblich: Vergiftung der Wasserversorgung, die Zunahme von Krebs und Lungenerkrankungen und sogar der Einsatz von Kinderarbeit zählt zu den negativen Seiten. Zudem wird die Nachfrage nach Schlüsselmineralien mit einem geschätzten Anstieg von 4.200 Prozent allein für Lithium laut IEA bis 2040 explodieren.

Erster SUV

Der Jeep Cherokee von 1984 war der erste SVU. In den 1990er Jahren stieg der Umsatz, auch weil das Unternehmen mehr Modelle auf den Markt brachte. Sie profitierten von einer Lücke. Der steigende Absatz stieß bei Automobilherstellern auf Begeisterung, denn SUVs waren viel rentabler als Limousinen. Und je beliebter sie wurden, desto mehr Anreize gab es für die Fahrer und man fühlte sich nur noch dann sicher, wenn man auch einen SUV fuhr.

Obwohl die Kraftstoffeffizienz durch Elektrofahrzeugen zugenommen haben, hat der Aufstieg des SUV ihre Vorteile zunichte gemacht.

Die SUV-Verkäufe überholten 2015 schließlich die der Limousinen, was dazu führte, dass einige nordamerikanische Autohersteller ihr Autoangebot reduzierten. Es wird geschätzt, dass SUVs und Lastwagen bis 2025 an die 80 Prozent der Neuwagenverkäufe ausmachen werden. Doch das hat Folgen.

Exzesse der Automobilhersteller

Der Hummer mag als ultimativer Ausdruck automobiler Exzesse hervorstechen, aber die Autohersteller haben die Größe und Höhe ihrer Fahrzeuge mit jedem neuen Design kontinuierlich erweitert. Beispielsweise stellte USA Today fest, dass der Chevrolet Tahoe seit 1999 um 17,7 Zoll länger geworden ist, während der mittelgroße Toyota RAV4 – der meistverkaufte SUV in den Vereinigten Staaten – um 14 Zoll zugelegt hat. Inzwischen hat Consumer Reports errechnet, dass der durchschnittliche Personenkraftwagen seit 2000 um 24 Prozent schwerer und seine Motorhaube 27,9 cm höher geworden ist. Letztes Jahr starben 42.915 Menschen auf US-Straßen – davon 7.342 Fußgänger.

Das Versicherungsinstitut für Straßenverkehrssicherheit hat festgestellt, dass Fahrer in SUVs eher Fußgänger anfahren, weil ihre Sicht auf die Straße eingeschränkter ist. Wissenschaftler der University of California, Berkeley haben herausgefunden, dass die Todeswahrscheinlichkeit steigt, wenn sie  von schwereren Fahrzeugen angefahren werden.

Die Botschaft, die so oft von der Regierung, von Autoherstellern und sogar von vielen Umweltschützern präsentiert wird, lautet, dass eine neue Technologie – in diesem Fall Batterien als Ersatz für Verbrennungsmotoren – die Klimaauswirkungen des Verkehrssystems senken werden.  Es steht außer Frage, dass Elektrofahrzeuge während ihres gesamten Lebenszyklus tendenziell weniger Emissionen verursachen als Verbrennungsmotoren. Doch der  Trend zu größeren Fahrzeugen hat sowohl für die Verkehrssicherheit als auch für die Umwelt negative Folgen. Die Fortsetzung durch den Übergang zu Elektrofahrzeugen bedeutet, dass Elektrofahrzeuge größere Batterien benötigen und daher mehr Mineralien abgebaut werden müssen, um sie anzutreiben. Es gibt jedoch andere Optionen, mit denen einige dieser Probleme behoben werden könnten.

Ford Autos bleiben Autos - auch wenn sie elektrisch sind

Mobilitätswende – jetzt!

Da sich die Umstellung auf Elektrofahrzeuge beschleunigt und die Rohstoffpreise steigen, gibt es gute Gründe, kleinere Autos zu fördern, die weniger kosten, kleinere Batterien benötigen, besser für die Fahrten geeignet sind und eine geringere Bedrohung für Fußgänger darstellen. Darüber hinaus können Regierungen eingreifen, um nicht nur Anreize für die Einführung von Elektrofahrzeugen zu schaffen, sondern auch Alternativen wie öffentliche Verkehrsmittel und Fahrradinfrastruktur in Städten im ganzen Land auszubauen. Der Umstieg muss leichter werden.

Der Beitrag von Paris Marx wurde von dem Original „Cars are still cars-even when they’re electric“ übersetzt. Der Artikel ist im MIT Technology Review erschienen.

Fotos: Jörg Sprenger (Twitter) und GM