Warum dominiert eigentlich China die Welt der Elektroautos?

Von Zeyi Yang

China ist inzwischen weltweit führend bei der Herstellung und dem Kauf von Elektrofahrzeugen. Allein in den letzten zwei Jahren stieg die Zahl der jährlich verkauften Elektrofahrzeuge von 1,3 Millionen auf satte 6,8 Millionen. Damit war 2022 das achte Jahr in Folge, in dem China der weltweit größte Markt für Elektrofahrzeuge ist. Zum Vergleich: Die USA haben im Jahr 2022 nur etwa 800.000 Elektrofahrzeuge verkauft, in Deutschland wurden 470.559 E-Autos neu zugelassen. Die Dominanz hat Chinas Autoindustrie ein nachhaltiges Wachstum beschert und beflügelt auch Chinas Bestreben sich nachhaltig zu positionieren.

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Der Wuling Hongguang Mini ist meistgekaufte Elektroauto in China

Wie genau hat das China geschafft?

Die Regierung spielt dabei eine wichtige Rolle, indem sie sowohl das Angebot an Elektrofahrzeugen als auch die Nachfrage unterstützt. Als Ergebnis großzügiger staatlicher Subventionen, Steuererleichterungen und anderer Anreize sind eine Reihe von Unternehmern im Bereich Elektromobilität entstanden, die Technologien optimieren, um die Bedürfnisse der chinesischen Verbraucher zu erfüllen. Damit sind E-Autos auch für junge Menschen attraktiv.

Wann hat China begonnen in Elektrofahrzeuge zu investieren und warum?

In den frühen 2000er Jahren  befand sich die chinesische Autoindustrie in einer schwierigen Lage. Es war ein Kraftpaket in der Herstellung traditioneller Autos mit Verbrennungsmotor. Damals gab es keine einheimischen Marken. Ausländische Hersteller dominierten den chinesischen Markt.

China erkannte, dass sie die amerikanischen, deutschen und japanischen Autohersteller bei der Innovation von Verbrennungsmotoren niemals überholen könnten. Und die Forschung an Hybridfahrzeugen wurde bereits von Ländern wie Japan angeführt, sodass China auch dort nicht wirklich mithalten konnte.

Das veranlasste die chinesische Regierung, sich von der etablierten Technologie zu lösen und in Neuland zu investieren: Autos, die vollständig mit Batterien betrieben werden.

Und China erkannte auch, dass Elektrofahrzeuge ein großes Potential beinhalteten, um gleich mehrere Herausforderungen zu meistern: Einmal konnten sie mit der E-Mobilität die starke Luftverschmutzung und die Abhängigkeit von importiertem Öl reduzieren und es ging darum die Wirtschaft anzukurbeln. Es schien wie eine Win-Win-Situation für Peking.

Daher unternahm die chinesische Regierung bereits 2001 Schritte, um in neue Technologien zu investieren und die wissenschaftliche Forschung wurde in dem Fünfjahresplan verankert.

Dann, im Jahr 2007, erhielt die Branche einen bedeutenden Aufschwung. Wan Gang, ein Autoingenieur, der ein Jahrzehnt lang für Audi in Deutschland gearbeitet hatte, wurde Chinas Minister für Wissenschaft und Technologie. Wan war ein großer Fan von Elektrofahrzeugen. Er testete Teslas Roadster im Jahr seiner Markteinführung 2008. Wan setzt seitdem auf Elektromobilität und verfolgt konsequent die Entwicklung von E-Autos in China.

Was genau hat die Regierung also getan?

Ab 2009 vergab das Land finanzielle Subventionen an Unternehmen für die Herstellung von Bussen, Taxis oder Autos für Privatkunden. Doch in diesem Jahr wurden in China weniger als 500 Elektrofahrzeuge verkauft. Aber mehr Geld bedeutete, dass Unternehmen weiterhin Geld investieren konnten, um ihre Modelle zu verbessern. Und gleichzeitig mussten die weniger, um ein eigenes Elektrofahrzeug zu erwerben.

Von 2009 bis 2022 hat die Regierung über 200 Milliarden RMB (29 Milliarden US-Dollar) in entsprechende Subventionen und Steuererleichterungen gesteckt. Während die Subventionspolitik Ende letzten Jahres offiziell endete und durch ein stärker marktorientiertes System namens „Dual Credits“ ersetzt wurde, hatte sie bereits ihre beabsichtigte Wirkung gezeigt: 2022 verkaufte China mehr als sechs Millionen Elektrofahrzeuge, mehr als die Hälfte des weltweiten Marktes. Die Regierung half auch einheimischen Unternehmen, um sich in ihren Anfangsjahren über Wasser zu halten, indem sie Beschaffungsverträge vergab.

In China gibt es Millionen öffentliche Verkehrsmittel, Busse und Taxis. Doch Subventionen und Steuererleichterungen sind noch nicht alles: Es gab auch  andere Anreize, die Menschen zum Kauf von Elektrofahrzeugen ermutigten. In bevölkerungsreichen Städten wie Peking sind seit mehr als einem Jahrzehnt Autokennzeichen rationiert. Somit kann es lange dauern, bis man ein Kennzeichen für ein Benzinauto bekommt. Doch der Prozess wurde grundsätzlich für Personen aufgehoben, die sich für den Kauf eines Elektrofahrzeugs entschieden, hatten.

Schließlich haben lokale Regierungen manchmal auch eng mit Unternehmen zusammengearbeitet, um Richtlinien anzupassen, die zu Wachstum verhilft.  Zum Beispiel BYD. Das ist das chinesische Unternehmen, dass derzeit Teslas Dominanz bei Elektrofahrzeugen herausfordert – und die Stadt Shenzhen zur ersten Stadt der Welt machte, die ihre öffentliche Busflotte vollständig elektrifizierte. Dort fahren 16.000 E-Busse.

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Tesla Gigafactory Shanghai

China ist also der weltweit führende Anbieter von Elektrofahrzeugen. Aber wie passt Tesla dazu? 

Die Entwicklung der chinesischen Elektrofahrzeugindustrie war tatsächlich eng mit Teslas Aufstieg zum größten Elektrofahrzeugunternehmen verflochten. Als die chinesische Regierung Subventionen vergab, erhielten auch ausländische Hersteller Geld. Somit sind sie Teil des Ökosystems und können China nicht mehr so schnell verlassen.

Abgesehen von finanziellen Anreizen, haben lokale chinesische Regierungen Tesla aktiv umworben, um Produktionsstätten im Land zu eröffnen. Die Tesla Gigafactory in Shanghai wurde 2019 extrem schnell gebaut. Heute ist China ein unverzichtbarer Teil der Lieferketten von Tesla. Die Gigafactory in Shanghai ist derzeit Teslas produktivste Fabrik und produziert dort mehr als die Hälft der ausgelieferten Teslas im Jahr 2022.

Die Vorteile beruhen auf Gegenseitigkeit: China hat auch von Tesla profitiert. Um Tesla einzuholen, waren chinesische Hersteller gezwungen vom technologischen Fortschritt bis zur Erschwinglichkeit wettbewerbsfähig zu sein.

Der wichtigste Teil eines Elektrofahrzeugs sind die Batteriezellen, die etwa 40 Prozent der Kosten eines Fahrzeugs ausmachen können. Der entscheidende Faktor bei der Herstellung eines wirtschaftlich rentablen Elektrofahrzeugs ist eine Batterie, die leistungsstark und zuverlässig und dennoch erschwinglich ist.

Chinesische Unternehmen haben die Batterietechnologie vorangetrieben. Genauer gesagt haben chinesische Unternehmen in den letzten zehn Jahren  Lithium-Eisenphosphat-Batterien, bekannt als LFP-Technologie eingesetzt, im Gegensatz zu den im Westen viel populäreren Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Batterien (NMC).

LFP-Batterien sind sicherer und billiger. Doch waren sie nicht die erste Wahl, weil sie früher eine viel geringere Energiedichte hatten und bei niedrigen Temperaturen schlecht funktionierten. Chinesische Batterieunternehmen wie Contemporary Amperex Technology Co. Limited (CATL)haben ein Jahrzehnt geforscht, um die Lücke bei der Energiedichte zu schließen.

In China hergestellte Batterien sind nicht nur günstiger, sondern auch in viel höheren Mengen verfügbar, da die Produktionskapazität in China aufgebaut und weiter ausgebaut wird.

Wie sieht Chinas Markt derzeit aus?

China hat eine übergroße Inlandsnachfrage nach Elektrofahrzeugen: Laut einer Umfrage des US-Beratungsunternehmens AlixPartners wollen über 50 Prozent der chinesischen Befragten batterieelektrische Fahrzeuge kaufen. Das ist der höchste Anteil in der Welt und doppelt so hoch wie der globale Durchschnitt.

Können andere Länder den Erfolg Chinas nachahmen?

Viele Länder schauen auf die Erfahrungen im Bereich der Elektromobilität – und sind neidisch. Doch der Erfolg ist nicht so leicht auf andere Länder zu übertragen.

Während die USA und einige europäische Länder die Anforderungen erfüllen und die technologischen Möglichkeiten vorhanden sind, scheitert es oft an dem politischen Willen. Damit verbunden ist die Frage, ob ein Land bereit ist in die Elektromobilität zu investieren und dem Bereich Priorität einzuräumen.

Brasilien oder Indien zu Beispiel haben keine so starke traditionelle Autoindustrie. Doch Chinas Erfahrung zeigt, dass Elektrofahrzeuge auch eine Chance für Entwicklungsländer sein könnten.

Chinesische Marken suchen nun nach anderen Märkten. Vor welchen Herausforderungen stehen sie?

Zum allerersten Mal haben chinesische Hersteller die Chance, außerhalb Chinas zu expandieren und globale Märkte zu erobern.  Doch dazu müssen sie sich an die unterschiedlichen technischen Standards und bevorzugten Softwaredienste anpassen. Und sie müssten lernen auf unterschiedliche Konsumgewohnheiten und Kundenwünsche einzugehen. Doch einige Länder möchten ihre einheimische Autoindustrie schützen, andere sehen den Markteintritt chinesischer Marken als nationales Sicherheitsrisiko.

Das größte Wachstumspotenzial wird vermutlich aus den „aufstrebenden asiatischen Ländern“ kommen. Die  Region wird auch dann noch mehr Elektrofahrzeuge für ihre Energiewende benötigen, wenn Chinas Inlandsmarkt gesättigt ist.

Aus diesem Grund hat Chinas Fokus auf das Angebot an Elektrofahrzeugen zwei Vorteile: Es verringert einerseits Chinas Bedarf an Autoimporten aus westlichen Ländern und schafft eine weitere langlebige Exportindustrie. Einige Länder, wie Indonesien, werben bereits um chinesische Investitionen, um dort Fabriken für Elektrofahrzeuge zu bauen.

Im Jahr 2022 exportierte China 679.000 Elektrofahrzeuge, eine Steigerung von 120 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahlen werden vermutlich noch wachsen.