Buchtipp: Vom Ende des Gemeinwohls
von ZukunftsMacher Helmut Scheel
In seinem neuen Buch setzt sich Michael J. Sandel damit auseinander, wie die Leistungsgesellschaft unsere Demokratie zerreißt. Der Autor ist Professor für politische Philosophie in Harvard und hat deshalb hauptsächlich die US-amerikanische Gesellschaft im Blick, schwenkt jedoch ab und wirft auch einen Blick über den Atlantik nach Europa und zeigt gewisse Parallelen auf. Überwiegend arbeitet er sich jedoch am amerikanischen System der Hochschulen ab, besonders der drei Spitzenunis Harvard, Standford und Yale. Beginnend mit dem Aufnahmeverfahren welches über Geld, Beziehungen, Vorgänger und der Aufnahmeprüfung verläuft, legt er dar, dass hier Geld und Beziehungen ein zentrales Kriterium sind. Wer nicht aus den oberen 20 Prozent des Einkommens abstammt, hat nur geringe Chancen aufgenommen zu werden. Aus der Schicht der unteren 20 Prozent-Einkommensschicht, stammen nur wenige Studenten. Auch die soziale Mobilität ist in diesen Spitzenunis nur sehr gering. Sandel arbeitet heraus, dass also nicht die Leistung für die Aufnahme zentral ist, sondern die Abstammung. Er spricht von einer Vermögensaristokratie.
Bessere Voraussetzungen
Doch selbst wenn es nur um Leistung ginge, wäre es nicht gerecht. Kinder reicher Eltern haben die bessere Voraussetzungen. Ihre Schwächen können sie durch Nachhilfe beseitigen und die Eltern sind häufig selbst Akademiker und können helfen. Schon alleine die Anzahl der Bücher ist höher als in jenen der niedrigen Einkommen. Der Zufall, in welchem Elternhaus ein Kind geboren wird, ist demzufolge entscheidender, als die eigenen Fähigkeiten.
Welche Arbeit hat Wert?
Zu alledem ist entscheidend, welche Fähigkeiten gerade in einer Gesellschaft einen hohen Wert darstellen. Im Mittelalter wäre ein Mensch mit guten fußballerischen Fähigkeiten nichts wert gewesen, da kam es eher auf handwerkliches Geschick an. Was hat es heute noch für einen Wert, wenn man gute Faustkeile herstellen kann? Derzeit wird gesellschaftlich ein großer Wert auf eine gute akademische Laufbahn gelegt. Zudem hat man als Fußballspieler in Europa gute Verdienstmöglichkeiten. Als Modell oder Showstar kann man es ebenfalls zu Wohlstand bringen, doch sind hier wieder gute Kontakte wichtig und an diese gelangt man eben oft durch Zufall.
Viel zu wenig geht Sandel in dem Buch auf die nicht-akademischen Missverhältnisse ein. Er streift die Degradierung der Arbeitnehmerschaft fast nur am Rande und fast am Ende. Dies ist zu wenig, da es sich hier um den Großteil der Bevölkerung sowohl in den USA handelt wie auch in Europa.
Das Ende des Gemeinwohls
In der gesamten Entwicklung auf eine Meritokratie hin, sieht er das Ende des Blickes auf das Gemeinwohl. Die Gesellschaften dividieren sich immer weiter auseinander und begründen dies mit persönlichen Fähigkeiten und dem Wert der eigenen Arbeit und Leistung. Sandel bringt hierzu ein anschauliches Beispiel in dem er den Wert für die Gesellschaft von einem Drogendealer mit dem eines Lehrers vergleicht. Der Drogendealer hat zwar ein hohes Einkommen, schadet aber der Gesellschaft, während der Lehrer im Verhältnis ein schlechtes Einkommen hat, aber der Gesellschaft einen hohen Nutzen bringt. Und genau diese Aspekte verlieren in der derzeitigen gesellschaftlichen Diskussion immer mehr an Bedeutung und bedeuten damit das „Ende des Gemeinwohls“.
Buchtipp
Über Michael J. Sandel
Michael J. Sandel ist ein US-amerikanischer Philosoph. Bekannt wurde er vor allem als Mitbegründer der kommunitaristischen Strömung. Sandel studierte an der Brandeis University und promovierte an der University of Oxford bei Charles Taylor. Seit 1980 lehrt er Politische Philosophie an der Harvard University.
Bekannt ist er besonders aufgrund seines Kurses „Justice with Michael Sandel“, der mittlerweile auch im Internet zu finden ist. Für 2018 wurde Sandel der Prinzessin-von-Asturien-Preis für Sozialwissenschaften zugesprochen. Er lebt in Brookline bei Boston.
Quelle: Wikipedia