Susanne Gerdon bringt Glück in den Unterricht

Schule ist mehr als Deutsch, Mathematik und Biologie. Die Stundentafel wird deshalb gelegentlich als zu enges Korsett empfunden. Dabei lässt sie durchaus quantitative Spielräume zu und bietet beim schuleigenen Wahlpflichtfach sogar Raum für spezielle Angebote. Wir stellen die ZukunftsMacherin Susanne Gerdon, eine Lehrerin, die Fächer unterrichtet, die sich dem „Glück“ verpflichtet fühlen. Dazu ein Interview vom VDR – Verband der Realschullehrer.

Susanne-Gerdon-Gluecksunterricht Susanne Gerdon bringt Glück in den Unterricht

Was war Ihre Motivation Glückslehrerin zu werden?

Susanne Gerdon: Ich musste in meinem Leben selbst bereits einige Herausforderungen meistern und war während meines Berufslebens immer mal wieder damit konfrontiert, dass sich Schülerinnen und Schüler mit großen Problemen – wie zum Beispiel Suizidgedanken, Missbrauch, Essproblemen oder Mobbing – an mich wandten. Gelegentlich stellte ich fest, dass sie auf sich alleine gestellt waren. Daraus erwuchs mein Wunsch, den Kindern Strategien an die Hand zu geben, ihr Leben besser meistern zu können.

Im Januar 2015 bearbeitete ich während der Methodentage mit meiner damaligen 10. Klasse ein Nachhaltigkeitsprojekt mit dem Thema „Auf dem Weg in ein besseres Leben“. Dabei stellte eine Gruppe das Thema Glück vor und berichtete in diesem Rahmen von der Glückslehrerausbildung. Danach habe ich mich intensiver damit beschäftigt und mich letztendlich beim Ernst-Fritz-Schubert Institut in Heidelberg angemeldet.

Schon seit dem Referendariat war es mir ein wichtiges Anliegen, dass Schülerinnen und Schüler für das Leben lernen sollten.

Mittlerweile unterrichte ich sechs Stunden „Glück“ in der Woche – je zwei Stunden in Klasse 8 und 9 als schuleigenes Wahlpflichtfach und zwei Stunden als Arbeitsgemeinschaft. Im Schuljahr 2019/20 zum Beispiel wählten insgesamt 40 Schülerinnen und Schüler dieses Fach.

Was sind die Kerninhalte des Glücksunterrichts?

Susanne Gerdon: Lebenskompetenztraining, Lebensfreude im Alltag, Persönlichkeitsentwicklung, Umgang mit schwierigen Lebenssituationen und das Erlernen von Entspannungstechniken sind Kerninhalte des Glücksunterrichts.

Warum ist Glücksunterricht heutzutage so wichtig?

 „Die beiden wichtigsten Tage deines Lebens sind der Tag, an dem du geboren wurdest und der Tag, an dem du herausfindest, warum.“

Susanne Gerdon: Dieses Zitat von Mark Twain fasst sehr gut zusammen, worum es dabei geht. Die Schülerinnen und Schüler besinnen sich im Glücksunterricht auf ihre Werte und Stärken, was sie bei ihrer Berufswahl unterstützt. Zudem erlernen sie Strategien, wie sie auch in schwierigen Lebenssituationen handlungsfähig bleiben. Dies ist gerade in der unsicheren und schwierigen Phase der Pubertät sehr hilfreich.

Die Schüler beschäftigen sich unter anderem mit den vier Grundfragen: Wer bin ich? (Konsistenz), Was brauche ich? (Bedürfnisse), Was will ich? (Kohärenz) und Was kann ich? (Kompetenz). Dabei erkennen sie ihre Stärken und deren Ressourcen und können so besser ihre Ziele festlegen und auf deren Erreichen hinarbeiten.

Zahlreiche Statistiken bestätigen die Zunahme von Depressionen und sogar Burn-out bei Jugendlichen – durch die Inhalte des Glücksunterrichts erleben sie Selbstwirksamkeit, lernen ihre Komfortzone zu verlassen und verbuchen viele Erfolgserlebnisse, die sie wiederum stärken.

Es geht nicht darum, immer glücklich zu sein, sondern dass man die glücklichen Phasen genießt und die unglücklichen Phasen mit einer Prise Gelassenheit übersteht. Es ist wichtig, zu akzeptieren, dass das Leben in Wellen verläuft.

Ich halte es für absolut wichtig, schon in der Grundschule mit einer regelmäßigen Praxis zu beginnen und diese bis zum Schulende beizubehalten. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass solche Themen keiner Lehrkraft einfach übergestülpt werden, sondern dass innerhalb des Kollegiums Expertenteams gebildet werden, welche eine Affinität zu diesen Themen hegen. Authentizität ist in diesem Zusammenhang das Schlüsselwort, sonst lassen sich die Schülerinnen und Schüler nicht darauf ein.

Wie beurteilen Sie die Akzeptanz des Faches Glück?

Susanne Gerdon: Ich habe an meiner Schule das große Glück, mit meinem unterrichtlichen Anliegen von der Schulleitung und vom Kollegium respektiert zu werden und kann so zahlreiche kreative Projekte – sowohl theoretisch als auch praktisch fundiert – durchführen. Davon profitieren nicht nur die Glücksschüler:innen.  Ich hoffe sehr, dass sich noch mehr Schulen auf den Weg machen und von diesem Unterricht profitieren.

Susanne Gerdon

Susanne Gerdon unterrichtet an der Realschule plus in Kandel die Fächer Englisch, Französisch, Hauswirtschaft und Sozialwesen sowie das schuleigene Wahlpflichtfach „Glück“.

Die Entdeckung der Glückslehrerausbildung war für sie ein Schlüsselmoment. Nachdem sie ein Buch über den Glücksunterricht von Ernst Fritz-Schubert gelesen hatte, wusste sie, dass sie irgendwann diese Ausbildung absolvieren würde. Das tat sie im Schuljahr 2015/16 in Heidelberg.

Mit dem Fach „Glück“ hat sie vielfältige mediale Aufmerksamkeit in der Presse, im Rundfunk und im Fernsehen erfahren. Sie hofft, dass sich noch mehr als die bislang acht rheinland-pfälzischen Schulen auf den Weg machen. Sie weiß, dass die Akzeptanz des Faches auch davon abhängen wird, dass Inhalte und Aspekte der Leistungsmessung sich mit denen anderer Fächer messen können.

Zurzeit ist Susanne Gerdon als Beraterin für Gewaltprävention und Gesundheitsförderung am Pädagogischen Landesinstitut in Bad Kreuznach tätig. Ab dem kommenden Schuljahr wird sie über Ländergrenzen hinweg auf Honorarbasis Workshops auch in Schulklassen anbieten.

Frau Gerdon hat eine 13-jährige Tochter. Ihre Hobbys sind Lesen, Kochen, Wandern, Fitnesstraining und Chigong. In ihrer Schule engagiert sie sich als Fördervereinsvorsitzende.

Kontakt: info@susannegerdon.de