Die Zukunft der Baubranche: Kreislaufwirtschaft und Cradle-to-Cradle

von Carsten Boell, Geschäftsführer der INTERBODEN Innovative Gewerbewelten

Portrait_BOe_hoch Die Zukunft der Baubranche: Kreislaufwirtschaft und Cradle-to-Cradle

Carsten Boell, Geschäftsführer der INTERBODEN Innovative GewerbeweltenÜber 50 Prozent der weltweiten Abfallproduktion und fast 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen entfallen auf die Immobilien- und Baubranche. Die Wirtschaftszweige gelten als weltweit größte Verbraucher von Rohstoffen. Diese harten Zahlen und Fakten zeigen den Handlungsbedarf und auch die Verantwortung, die die Branchen mit sich tragen. Hinzu kommen politische und gesellschaftliche Einflüsse, die den Druck zunehmend erhöhen. Es besteht massiver Handlungsbedarf. Ein Umschwung in den Branchen ist erkennbar und erste Projekte wie The Cradle in Düsseldorf zeigen bereits die praktische Umsetzung und geben den Weg vor.

Die Ausgangslage

Übergeordnete gesetzliche Rahmenbedingungen eines ESG-konformen Handelns (ESG bedeutet „Environmental“ (Umwelt), „Social“ (Gesellschaft), „Governance“ (Unternehmensführung) haben in den letzten Jahren enorm zugenommen. Darüber hinaus wirken Corporate Social Responsibility sowohl auf den Investor als auch auf den Nutzer und verändern die Ansprüche an eine Immobilie und Zielsetzung und die Arbeit der Projektentwicklung. Im Mittelpunkt der Umwelt (Environment]) steht die Optimierung bzw. Reduktion von CO2-Emissionen, Energieeffizienz, Wasserverbrauch, Abfällen & Schadstoffen. Unter nachhaltig orientiertem Handeln wird ein gleichgewichtetes soziokulturelles, ökonomisches und ökologisches Handeln verstanden, auch wenn sowohl in gesellschaftlichen als auch immobilienwirtschaftlichen Debatten der letzten Jahre häufig ein Schwerpunkt auf der ökologischen Säule liegt.

Hinzu kommt eine gesellschaftliche Veränderung: Nachfolgende Generationen werden immer mehr geprägt von dem Verlangen nach der Umsetzung nachhaltiger Produktionsweisen, dem Umgang mit erneuerbaren Ressourcen und einem bewussten Umgang mit Energie, Abfall und Wertstoffen. Somit ändern sich zunehmend politische und gesellschaftliche Einstellungen zur Nachhaltigkeit und zum nachhaltig orientierten Handeln.

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Die Kreislaufwirtschaft rückt in den Fokus 

Es besteht Handlungsbedarf, die die gesamte Baubranche über kurz oder lang zum Handeln zwingt und verändern wird. In diesem Zusammenhang rückt die Kreislaufwirtschaft in den Fokus: der ressourcensparende Umgang mit Materialien und dadurch die effiziente Ausschöpfung von Potenzialen sowie die Vermeidung von Abfällen. Materialien werden idealerweise so eingesetzt, dass diese nach Nutzungsende wieder als Rohstoffe in biologische oder technische Kreisläufe einfließen und wie in der Natur fortwährenden als Nährstoffe zirkulieren. Wichtig ist jedoch eine ganzheitliche Betrachtung, die nicht nur die Materialien, sondern auch Aspekte wie Materialverbindungen oder Transportwege einbeschließt. Wenn Materialien für ihren Einsatz einmal um die Welt transportiert werden müssen oder Materialverbindungen toxische Stoffe beinhalten kann man nicht von einem nachhaltigen Projekt sprechen – auch wenn das Gebäude an sich CO2-neutral ist.

Diesen ganzheitlichen Ansatz nimmt das Cradle-to-Cradle-Prinzip auf, indem es sich an bestehenden Systemen der Natur orientiert. Das Cradle-to-Cradle-Prinzip hat als Ziel, Produkte, Materialien, Prozesse, Gebäude und letztendlich ganze Quartiere so auszurichten, dass Sie eine positive Wirkung auf Umwelt und Mensch haben.

Dieser Ansatz für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft erfordert die Nutzung natürlicher Rohstoffe und Materialien sowie eine Verwendung dieser nach der Nutzung. Erste Cradle-to-Cradle-Projekte, die diesem Ansatz konsequent folgen, befinden sich bereits in der Umsetzung. Das Projekt The Cradle, welches in der Düsseldorf entsteht, wird eines der Leuchtturmprojekte nachhaltiger Baukultur in Deutschland sein und für immer zu den Pionierprojekten nachhaltiger Gebäudeentwicklung zählen.

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The Cradle

The Cradle: Die praktizierte Nachhaltigkeit

Das Projekt The Cradle stellt sich als Leuchtturmprojekt für nachhaltige Baukultur dar und dient als Blaupause für die gesellschaftliche Entwicklung hin zu verantwortungsvollem und bedachtem Handeln: Das Jetzt betrachten und die Zukunft daraus ableiten. Der Name The Cradle ist Programm und verdeutlicht die hochgesteckten Ziele einer engagierten Umsetzung des Cradle-to-Cradle-Konzeptes – immer insbesondere hierbei die Erfordernisse der zukünftigen Nutzer im Auge zu halten. Das Ziel ist eine möglichst umfassende Berücksichtigung des Cradle-to-Cradle-Ansatzes und der darauf aufbauenden Prinzipien ist ein Ausdruck der Unternehmenskultur und Ausdruck eines optimistischen Ansatzes für die Zukunft. Das Gebäude wird zum Ausdruck einer ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltigen Zukunft. Durch die proaktive Umsetzung werden die Ansätze konkret greifbar und können anschaulich umgesetzt werden, beispielgebend für zukunftsweisende Innovation. Gleichzeitig ist es auch ein Versprechen in die Zukunft.

Die Einhaltung des Cradle-to-Cradle-Prinzips hat bei dem Projekt The Cradle höchste Priorität: Demnach dürfen die Materialien und Verbindungen keine giftigen Stoffe enthalten, wofür eine sogenannte „banned list“ die Grundlage bietet. Dieses konsequente Vorgehen kommt der Umwelt und der Gesundheit der zukünftigen Mitarbeitern im Gebäude zugute. Die banned list führt jene Chemikalien und Substanzen auf, die für die Verwendung in Cradle to Cradle Certified™ -Produkten verboten sind. Darüber hinaus wurden mehrere Substanzen aufgrund von gefährlichen Eigenschaften ausgeschlossen, die mit ihrer Herstellung, Verwendung und Entsorgung verbunden sind. Somit soll sichergestellt werden, dass keine dieser Inhaltsstoffe in Produkten verbaut und das Gebäude bzw. der Nutzer gesundheitlich belastet werden. Darüber hinaus können  somit Materialien unbedenklich wieder im Sinne der Kreislaufwirtschaft zurückgeführt werden.

Das wohl markanteste Merkmal von The Cradle ist der Rohstoff Holz, der augenscheinlich in den Decken und mit der imposanten Holzfassade zum Ausdruck gebracht wird: Der Rohstoff steht als Sinnbild für die Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Bei Holz handelt es sich um einen nachwachsenden Rohstoff, der die endlichen Rohstoffe wie Beton oder Kunststoff ersetzt. Zum anderen ist Holz gesundheitsfördernd, bindet CO2 und wirkt sich positiv auf das Raumklima aus. In Verbindung mit den Feinstaub reinigenden Teppichböden, zertifizierten Stehleuchten und grünen Wänden wird somit eine deutlich bessere Luftqualität erreicht. Wenn man die gesamte Bau- und Nutzungsphase einbezieht, wird die CO2-Reduktion des Gebäudes auf rund ein Drittel im Vergleich zu herkömmlichen Gebäuden berechnet. Darüber hinaus wurde auch das Thema Mobilität ganz im Sinne der Shared Economy neu gedacht. Ein Mobilitätshub steht sowohl den Menschen in The Cradle als auch dem gesamten Düsseldorfer Medien Hafen zur Verfügung. Mit Sharingangeboten wird das Verkehrsaufkommen reduziert und Elektroautos verbessern wiederum die CO2-Bilanz. Aber auch an moderne Anwendungen wie eine eigene Service-App, die Themen wie Kommunikation, Facility Management, Serviceangebote sowie Reservierungen von Fahrzeugen aus dem Mobilitätshub und Meetingräumen bedient, wurde gedacht.

INTERBODEN als Bauherr entwickelt das Gebäude The Cradle gemeinsam mit dem interdisziplinären Team aus HPP Architekten, Fachplanern und EPEA als zukünftiges werthaltiges Rohstofflager. Da Baumaterialien einem Preisanstieg aufgrund von wachsender Rohstoffverknappung unterliegen, erhöht sich über die Laufzeit der Restwert des Gebäudes. Die verwendeten Materialien sind kreislauffähig, werden entsprechend verortet und sind rückholbar. Voraussetzung ist, dass durch innovative Verbindungstechniken eine sortenreine Trennbarkeit gegeben ist und die Stoffe keine Schadstoffe enthalten. Das Gebäude fungiert sozusagen als Materiallager. Ein „Material-Ausweis“ bzw. Material Passport fungiert als digitalisierte Bauteilkatalog, in dem die Materialien in Hinblick auf Recyclingfähigkeit, Gesundheitsklasse, Schadstoffgehalt, Trennbarkeit und CO2 Verbrauch erfasst werden.  Durch diesen kann nachverfolgt werden, welches Bauteil an welcher Stelle und zu welcher Zeit eingesetzt wurde und wann dieses ggf. erneuert werden muss. Die Materialien sind klar nach ihrer Identität für den biologischen oder technischen Kreislauf gekennzeichnet und sind nach Nutzung reintegrierbar. Wesentlich ist hierbei die Trennbarkeit der Baustoffe (für viele Bauteile bestehen bereits Rückbauanleitungen), ihre Rezyklierbarkeit und ihre eindeutige, schadstofffreie Materialität.

Die Nachfrage steigt

Corporate Social Responsibility und damit nachhaltiges Handeln ist inzwischen auch in den meisten Unternehmen ein wichtiger Teil der Unternehmensstrategie geworden und wird aktiv in der Büroauswahl sowohl von potenziellen Nutzern wie aber auch Investoren nachgefragt. Das liegt auch an einem Umdenken in der Gesellschaft. Für Mitarbeiter, insbesondere jüngeren Menschen, sind heutzutage Aspekte wie Nachhaltigkeit, Gesundheit am Arbeitsplatz und eine moderne und identitätsstiftende Arbeitsumgebung genauso entscheidend – oder oftmals noch wichtiger – als monetäre Faktoren für die Auswahl des Arbeitsplatzes. Insbesondere im „War for Talents“ und bei der langfristigen Bindung von Mitarbeitern ein bedeutendes Thema. The Cradle verbindet somit die Themen umweltbezogener mit unternehmerischer Nachhaltigkeit und bietet Unternehmen mit einer solchen Philosophie, eine zukunftsträchtige Immobilie und die Möglichkeit, seine Vorreiterrolle in diesem Bereich auch über das Gebäude zu transportieren. Auch Investoren wählen mittlerweile bewusst Immobilienprodukte aus, die einen positiven Beitrag für die Gesellschaft liefern.

Die Zukunft der Baubranche

Mit The Cradle konnte INTERBODEN zum einen enormes Wissen in der praktischen Umsetzung nachhaltiger Immobilien aufbauen und zum anderen einen positiven Impuls für die gesamte Baubranche setzen. The Cradle wird durch seine Architektur und das zukunftsweisende Konzept ein Wahrzeichen für die Landeshauptstadt Düsseldorf werden. Wichtig bei der Konstruktion eines nachhaltigen Gebäudes sind letztendlich zwei Themen: Zum einen die Wiederverwertbarkeit von Materialien und zum anderen der tatsächliche Mehrwert für den Nutzer und die Allgemeinheit. Vereint man beide Aspekte in einem ökonomischen Grundgerüst, ist dies die Zukunft der Baubranche.

Fotos:

Copyright Visualisierung: INTERBODEN Gruppe/HPP Architekten; Visualisierung: bloomimages

Copyright Kreisläufe: INTERBODEN Gruppe/EPEA